Tanz unter Sternen
er. Sie sagt deutlich, dass sie unzufrieden mit mir ist. Ich bin geizig, wirft sie mir vor, und ich denke zu viel an mich selbst. Ich schaffe es einfach nicht, alle Seiten glücklich zu machen, die Kirchengemeinde, meine Frau, meinen Sohn, die Verwandten, die Nachbarn.«
»Letzten Endes können Sie die anderen nur glücklich machen, wenn Sie selbst glücklich sind, wissen Sie? Es ist wichtig, sich auch um sich selbst zu kümmern.«
»Was meinen Sie damit?«
»Na ja, sich mal zu entspannen, sich etwas Gutes zu tun.«
»Das konnte ich nie.« Er sah zu Boden. »Wenn ich mich hinsetze, um mich auszuruhen – oder sagen wir, wenn ich einen Spaziergang machen will –, dann fallen mir gleich hundert Sachen ein, die noch erledigt werden müssen. Und dass ich mir mal Zeit für Samuel nehmen sollte. Oder der Nachbarin versprochen habe, für sie Kohlen raufzutragen. Mit solchen Gedanken im Kopf kann man sich kaum ausruhen.«
»Darf ich offen sein?«
»Bitte.«
»Sie sind etwas verkrampft. Sie müssen nicht die ganze Welt retten, nicht allein jedenfalls. Wo haben Sie das bloß her? Es ist doch eine ziemlich vermessene Einstellung, zu denken, dass nicht auch mal jemand anderes die Kohlen hochtragen kann, zum Beispiel.«
Er sah sie verwundert an. »So, wie Sie das sagen …«
»Es ist wahr.«
»Ich glaube, das kommt bei mir von Zuhause. Mein Vater war immer fort, und Mutter hat mich nie gelobt. An allem fand sie etwas auszusetzen. Mein Schulzeugnis konnte fabelhaft sein, Hausfleiß, Denken, Sprechen, Aufrichtigkeit, Ordnungsliebe alles mit ›lobenswert‹ benotet, aber wenn ich dazu in Reinlichkeit oder Gehorsam nur ein ›befriedigend‹ bekam, war das ganze Zeugnis für sie schlecht. Ich hatte immer den Eindruck, der Mutter nicht gut genug zu sein.«
»Und jetzt fühlen Sie sich wertlos, wenn Sie mal einen Moment nichts leisten.«
Er nickte. Dann musste er lachen. »Wie machen Sie das? Ich kenne Sie kaum und erzähle Ihnen Dinge, die ich nicht mal mit meiner Frau bespreche!«
Nele lächelte. »Mir müssen Sie nichts beweisen, daran liegt’s.«
19
Herrlich, diese Bratkartoffeln«, sagte Matheus. Er spießte eine weitere davon auf seine Gabel und steckte sie sich in den Mund. »Scharf angebraten, und die Kruste gut gepfeffert und gesalzen.«
Cäcilie musterte ihn. »Du bist so gut gelaunt heute Abend, wie kommt’s?«
»Ich habe allen Grund dazu. Oder nicht?« Als sie ihn weiterhin verständnislos ansah, sagte er: »Das Meer hat vorhin wild geschäumt und mich daran erinnert, was für ein Abenteuer wir hier erleben. Es roch nach Freiheit! Und jetzt sitzen wir im Warmen, die Musiker spielen schöne Lieder, und jemand serviert mir einen schmackhaften Gang nach dem anderen. Da soll ich nicht glücklich sein?« Er stieß Samuel mit dem Ellenbogen an. »Was ist mit dir? Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«
»Nichts, Papa.«
Matheus stellte seine Gabel aufrecht auf den Tisch und spazierte mit ihr zu Samuel hinüber. »Guten Abend«, sagte er mit verstellter Stimme, »mein Name ist Klaus Zinken, ich habe heute guuute Bratkartoffeln im Angebot. Wollen Sie eine?«
Samuel verzog den Mund.
Herr Zinken sah auf die Speisekarte. »Ich hätte auch Eiscreme zum Nachtisch. Oder Nüsse oder Kokos.«
»Dann nehme ich das Eis«, sagte Samuel.
Herr Zinken verneigte sich so tief, dass er ihm in die Hand piekte.
»Au!« Samuel zog die Hand zurück und grinste. »Passen Sie doch auf!«
Cäcilie räusperte sich. »Wir sitzen nicht allein am Tisch.«
Excuse me . Matheus nickte den Herrschaften zu, die mit ihnen speisten. »Weißt du noch«, fragte er Samuel, »wie wir dich gefüttert haben früher? Du warst ein furchtbarer Esser. Wir mussten dich zu jedem Löffel überreden.«
»Daran wird er sich wohl kaum erinnern«, sagte Cäcilie.
Nachdem sie jeder einen Eisbecher geschlemmt hatten, gingen sie zur Kabine zurück. »Du bist mir doch nicht böse?«, fragte er.
»Warum?«
»Wegen meiner Spielereien gerade beim Essen.«
»Unsinn. Ich staune bloß. So habe ich dich schon lange nicht mehr erlebt.« Cäcilie schaute ihn fragend an.
In der Kabine warf sich Samuel aufs Bett. Cäcilie sagte, sie wolle sich in der Bibliothek ein schönes Buch suchen, sie sei gleich zurück.
»Mach nur«, sagte Matheus. »Und lass dir Zeit.«
Kaum hatte sie die Tür geschlossen, hob Samuel den Kopf: »Ich hab sie gesehen. Mit einem reichen Mann.«
»Das ist in Ordnung. Wir haben darüber gesprochen. Sie darf mit ihm Freundschaft
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