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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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zeigte er auf den Teller der Dame. »Ich nehme auch den Fisch.«
    »Keine Vorspeise?«, fragte der Journalist.
    »Nein, keine Vorspeise.« Ihm wurde heiß im Gesicht. Dies war das Terrain des Verführers, hier kannte er sich aus. Es würde nicht leicht werden, im noblen Restaurant vor Cäcilie eine gute Figur zu machen.
    Nachdem er die Peinlichkeit eine Weile ausgekostet hatte, begann der Journalist wieder ein Gespräch. »Was halten Sie von den Anarchisten, die mit selbst gebastelten Bomben die russische Regierung angreifen?«
    »Sie meinen die Selbstmörder?«, fragte der Arzt. »Soweit ich weiß, sterben sie bei den Angriffen. Sie stürmen als lebende Bomben in die Nähe von Regierungsangehörigen und sprengen sich in die Luft. Ein Wahnsinn ist das.«
    »Bitte, ich …« Cäcilie führte die Serviette an den Mund.
    Das war die Gelegenheit, die Führung zu übernehmen. »Kein gutes Thema für den Tisch«, sagte Matheus. Es wurde still. Nun war es an ihm, ein neues zu beginnen, das spürte er. Aber ihm wollte nichts einfallen, das ihn als Gebildeten herausstellte. »Haben Sie von diesem … äh … Dänen gehört?« Es war doch ein Däne? Es musste ein Däne sein! Hoffentlich war es ein Däne. »Also, der in der Arktis unterwegs ist?« Wie war sein Name noch gleich? Besser, er hätte nicht damit angefangen. Mit der missglückten Frage stellte er sein Unwissen erst recht heraus.
    »Sie meinen sicher Amundsen?«, half der Journalist gönnerhaft.
    »Ja, Amundsen.«
    »Ein mutiger Mann.«
    »Jede Zeit hat ihre Mutproben«, sagte Matheus. »Wir haben als Kinder zum Beispiel Kreuzottern erlegt. Es gab von der Stadt eine Belohnung für jedes Exemplar, das wir vorgezeigt haben. Unsere Eltern durften nichts davon wissen, natürlich. Sie wären vergangen vor Angst.«
    Der Engländer nahm sein Weinglas, trank einen Schluck und sagte: »Sie wollen doch Amundsens Heldentat nicht im Ernst mit Ihren Lausbubengeschichten vergleichen.«
    »Haben Sie sich mal mit einer Kreuzotter angelegt?«
    »Selbstverständlich nicht. Ich brauchte das Geld nicht, und ich hätte meine Gesundheit auch niemals für etwas so Unsinniges aufs Spiel gesetzt. Amundsen ist da ein anderes Kaliber. Anstatt eine Schlange totzuprügeln, erforscht er einen Erdteil für die Menschheit.«
    Es bereitete ihm offenbar Vergnügen, derart herablassend mit ihm zu reden! Matheus hätte ihm am liebsten die Faust ins Gesicht geschlagen. Der Kerl wollte mit harten Bandagen kämpfen? Das konnte er haben. »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Cäcilie und ich haben einen Sohn. Samuel.« Er sah Cäcilie an, aber sie zeigte keine Regung. »Er liebt die Geschichte von David und Goliat. Darin geht es um Mut.«
    »Ach bitte, langweilen Sie uns nicht mit Kindergeschichten.«
    »Schlau über Amundsen daherzureden, mag mutig klingen. Einem Mann die Frau auszuspannen, das ist feige.«
    Es wurde totenstill am Tisch. Der Engländer wies auf Cäcilie ne ben sich und sagte: »Sehen Sie irgendwelche Ketten? Ich habe Ihre Frau nicht gezwungen, mit mir zu Abend zu essen. Sie ist freiwillig hier. Sie hingegen wollen sie zwingen, zu Ihnen zurückzukehren.«
    »Sie versuchen, Cäcilie mit Geld zu kaufen! Meinen Sie, mit diesem Essen und dem Stuck und den demütigen Kellnern können Sie sie beeindrucken?«
    »Ich behandle sie, wie es einer Dame von solcher Schönheit zusteht.«
    »Den Teufel tun Sie. Eine Dame ist kein Flittchen! Ein wahrer Gentleman achtet die Ehre einer verheirateten Frau.«
    »Und Sie sind dieser Gentleman? Wenn Sie Ihre Frau putzen und kochen und waschen lassen, und ihr nicht mal erlauben, eine Postkarte zu kaufen?«
    »Drei Gespräche mit Cäcilie machen Sie noch lange nicht zum Experten für unsere Ehe!«
    Cäcilie stand auf. »Merkt ihr nicht, dass ihr euch beide lächerlich macht? Ich höre mir das nicht länger an.« Sie verließ den Tisch.
    »Großartig haben Sie das hinbekommen«, sagte der Engländer. »Sie trampeln auf ihrer Seele herum wie ein Bauerntölpel. Was habt ihr Deutschen überhaupt auf der Titanic zu suchen!«
    »Die Titanic ist nicht britisch«, hielt er dagegen. »Falls Sie das noch nicht wussten, sie gehört mitsamt der White Star Line dem Amerikaner J. P. Morgan.«
    »Erzählen Sie mir nicht, was britisch ist und was nicht«, fauchte der Journalist, der jetzt zum ersten Mal nervös wirkte. »Alle Schiffe der White Star Line haben ihren Heimathafen in Großbritannien, fahren unter britischer Flagge, werden von britischen Besatzungsmitgliedern geführt

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