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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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wenn das Gardekorps zur Frühjahrs- oder Herbstparade auf dem Tempelhofer Feld ausrückte.
    Matheus fasste sich ans Handgelenk, um seinen Puls zu fühlen. Schwach kam er und holperig.
    »Sie sind blass«, sagte der Journalist. »Stimmt etwas nicht mit Ihnen?«
    »Mir geht’s gut«, log er.
    »Wissen Sie was? Sie werden verlieren.«
    Wen meinte er? Die Deutschen im Krieg? Oder ihn, Matheus, in ihrem Wettstreit um Cäcilie? »Warten Sie mal ab.«
    »Sie werden verlieren, denn Sie verwandeln mit Ihrem Militarismus die eigenen Kinder in gehorsame Feiglinge. Sie stumpfen sie ab mit Ihrem Drill.«
    Dagegen konnte er nichts sagen. Samuel hatte sich erst vor einigen Tagen darüber beschwert. Matheus hasste es, dass der Engländer klüger war als er. Er hasste ihn, und es machte ihn rasend, dass der Kerl ihm nicht nur die Ehefrau streitig machte, sondern ihm obendrein das Gefühl gab, geistig unterlegen zu sein.
    Er stand auf. »Es ist leicht für Sie«, zischte er, »über Völker zu urteilen. Da ziehen Sie sich fein auf den Beobachterposten zurück. Aber sehen Sie sich mal Ihr eigenes Leben an. Tragen Sie zum Guten in der Welt bei? Sie nehmen einem Sohn die Mutter weg und einem Mann die Ehefrau, ist es das, worauf Sie so stolz sind? Cäcilie wird bei mir bleiben. Sie besitzt nämlich zehnmal mehr Integrität als ein … ein … Dampfschwätzer wie Sie.«
    Tundale starrte ihn an. Schließlich brach er in Gelächter aus. »Dampfschwätzer! Da ist Ihnen nichts eingefallen, was?« Auch der Arzt und seine Frau lachten.
    In Matheus explodierte ein Vulkan. Heiße Lava floss ihm durch die Adern. Dieser Schurke verletzte seine Familie, und dann verspottete er ihn auch noch! Er verdiente Feuer und Schwefel, er verdiente Heulen und Zähneklappern in der Finsternis, ewige Verdammnis verdiente er!
    »Selbstverständlich wird sich Cäcilie für mich entscheiden«, verkündete der Engländer. »Ein Dorfpfarrer wie Sie mag seine Haushälterin heiraten oder ein dummes Mädel, das ihm die Kinder zur Welt bringt. Aber keine hübsche Bankierstochter. Sehen Sie endlich ein, dass Sie mit Cäcilie Delbrück ein wenig zu hoch gegriffen haben.« Wieder lachte er. »Dampfschwätzer … Der sind wohl eher Sie.«
    Sein Hals schwoll an, die Adern pochten. Sterne zerplatzten vor seinen Augen, und rote Wellen sprangen auf. Er packte den Tisch und riss ihn hoch. Teller, Gläser, das Tafelsilber, die Blumenvase, alles stürzte klirrend zu Boden. Er trat nach den Scherben, dass sie auseinanderspritzten. Die Tischdecke hielt er in der Faust. »Ich warne Sie!« Damit schleuderte er sie nieder. »Lassen Sie die Finger von Cäcilie!«
    Er verließ das Restaurant.

20
    Erst in der Kabine beruhigte sich sein Puls. Der Mond schien durch das Bullauge hinein und tauchte den Raum in sanftes Licht. Cäcilie hatte Samuel zu Bett gebracht. Jetzt lagen sie da und schliefen, oder sie taten so.
    Matheus beugte sich über Samuel. Er küsste ihm die Stirn. »Hab keine Angst. Alles wird gut werden.«
    Dann stand er lange vor Cäcilies Bett und sah sie an. Ihre nussbraunen Haare rahmten das Gesicht ein. Die Augen waren geschlossen, und sie atmete ruhig. Ich habe sie vor dem Frauenräuber gerettet, dachte er. Ich bin ins Restaurant eingedrungen und habe sie vor Schlimmerem bewahrt.
    Er redete in Gedanken zu ihr: Du bist schwach geworden, Cäcilie. Aber jetzt bist du wieder hier, wo dein Zuhause ist, bei mir und deinem Sohn.
    Ihr schlafendes Gesicht antwortete: Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe.
    Ich weiß, sagte er. Es war furchtbar für mich. Aber ich verzeihe dir.
    Er nahm sich vor, sie morgen keinen Zorn spüren zu lassen. Das Heimkehren würde er ihr so leicht wie möglich machen.
    Er zog die Schuhe aus, das Hemd, die Hose, streifte sich die Strümpfe von den Füßen. Müde schlüpfte er unter seine Bettdecke, er fühlte sich, als sei er vom Schlachtfeld heimgekehrt. Das Zähneputzen erließ er sich für heute. Bevor er einschlief, dachte er: Ich habe ihr verziehen. Der Gedanke machte ihn stolz und tröstete ihn.
    Es ging auf Mitternacht zu. Lyman Tundale setzte sich in seiner Kabine an den Tisch und las zum dritten Mal das Telegramm, das er am Nachmittag erhalten hatte.
    Tante Luise krank im Bett – STOP – Ärztliche Behandlung gescheitert – STOP – Verlobung mit Tochter muss gelingen – STOP – P.
    Hattet ihr im Ernst erwartet, dachte er, dass der alte Delbrück auf euch reinfällt? Tante Luise war das Codewort für Ludwig Delbrück, zweiundfünfzig

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