Tapas zum Abendbrot
denken manche Leute: Der mogelt sich bestimmt ein bisschen durch.«
Auch wenn ich Roberto in der Situation nicht helfen konnte â zumindest habe ich richtig reagiert. »Die wichtigste Aufgabe für Freunde und Bekannte ist Zuhören«, sagt die Expertin Veneto Scheib. »Es ist ein groÃes Geschenk, wenn da jemand ist, der einen ernst nimmt und nicht sagt: âºDu gewöhnst dich schon dran, alles halb so schlimm.â¹Â«
Doch nach und nach auch mal alleine zum Arzt zu gehen, beim Hausmeister anzurufen oder den Klempner zu bestellen, daran kommt Roberto wohl langfristig nicht vorbei. »Wenn man abhängig bleibt, kann das zu einer kriselnden Beziehung führen«, sagt Valentina Veneto Scheib. »Man hat die Beziehung auf Augenhöhe begonnen. Die Vereinbarung, welche Rolle man in der Beziehung hat, war am Anfang eine andere.«
Wie man als einheimischer Partner denn helfen könne, frage ich sie. »Man kann sagen: Ich erkläre dir, wie das geht. Und ich erkläre dir das so geduldig, so langsam und so gut didaktisch aufbereitet, dass du das lernst und das nächste oder übernächste Mal alleine machen kannst.«
Was sonst noch hilft: ein bisschen Heimat in das neue Leben zu bringen. »Repräsentationsobjekte« nennt man das in der Fachsprache. Essen, Bilder, Musik, Fernsehprogramme, alles, was einem besonders lieb ist. »Ich erinnere mich noch an eine Rückfahrt aus dem Italien-Urlaub. Damals konnte ich meine Tränen einfach nicht zurückhalten«, erzählt Valentina Veneto Scheib. Da fuhr ihr Mann plötzlich rechts ran, stapfte auf ein Feld voller Olivenbäume und pflückte für seine Frau ein paar Zweige. Ein kleines Stück Italien sollte auf dem Rücksitz mit nach Deutschland fahren. Diese Geste rührt Valentina Veneto Scheib bis heute.
»Ich ermutige meine Klientinnen, ein Stückchen Heimat in ihren Alltag zu integrieren«, sagt sie. »Ich brauche etwa den Besuch auf dem Wochenmarkt. Ich will einheimisches Gemüse. Das ist ganz wichtig für mich, eine tief verwurzelte Lebenserfahrung, die Gerüche, die Farben.«
AuÃerdem sei es wichtig, sagt die Psychologin, im neuen Land Freunde aus der eigenen Kultur zu finden â auch wenn man nie zu der Sorte Ausländer gehören wollte, die immer nur unter sich bleibt. »Es gibt überhaupt keinen Grund, das zu moralisieren«, sagt Valentina Veneto Scheib. »Es hilft.«
Aber bei allem Schmerz, findet sie, muss jeder auch für sich selbst Verantwortung übernehmen. »Wenn es mir schlecht geht, kann ich entweder überlegen, was ich tun kann, damit es besser wird. Oder ich kann schmollen. Aber das ist nicht wirklich eine gute Lösung.« Auch für den inländischen Partner, sagt Veneto Scheib, wird die Situation dann unerträglich. Man denkt sich: Jetzt ist der wegen mir hierhergekommen â und was hat er nun davon?
Gerade deswegen findet Valentina Veneto Scheib es wichtig, dass man nicht ausschlieÃlich der Liebe wegen auswandert. »Natürlich kann es sein, dass man ohne den Partner nie auf die Idee gekommen wäre, ins Ausland zu gehen. Aber man sollte für sich selbst einen weiteren Grund finden.« Das können die besseren beruflichen Chancen sein, das schönere Wetter, die Natur oder die Pünktlichkeit der StraÃenbahn. »Wenn man nur wegen des Partners sein Land verlässt, dann kann die Hypothek für die Beziehung zu schwer werden.«
Denn was, wenn die Beziehung zerbricht? Wie im Fall von Eric, der im Dänischkurs neben mir sitzt. Er kommt aus Houston, Texas, und war mal mit einer Dänin zusammen. Seit die beiden sich getrennt haben, hat Eric eigentlich keine Lust mehr auf das Regenwetter in Kopenhagen und den langen Winter. AuÃerdem vermisst er seine Freunde. »Aber ich habe hier ja zwei kleine Jungs«, erzählt er. »Ohne die beiden in die USA zu ziehen, sie nur noch in den Ferien zu sehen, das könnte ich ihnen nicht antun. Und mir auch nicht.«
Und selbst wenn man zurückkehrt, ist das oft nicht so einfach. Denn dann kann es sein, dass man in seinem Heimatland nach all der Zeit in der Fremde selbst ein Fremder geworden ist.
»Das passierte mir nach etwa fünf Jahren«, sagt Valentina Veneto Scheib. »Ich fing dann an, die Leute von auÃen zu betrachten, mitten in Rom, in meiner Stadt. Ich saà im Bus, schaute mich um und fand es komisch, wie sie angezogen waren und im
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