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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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er mal unter Leuten ist, dann umgeben ihn fast ausschließlich Frauen – weil er alle Menschen, die er kennt, durch Susanne trifft. Da die Frauen sich aber so schnell unterhalten, kann er den Gesprächen nie lange folgen. Außerdem lernt er in der Sprachschule Hochdeutsch. Im schwäbischen Dettenhausen bringt ihn das natürlich nicht unbedingt weiter. »Dabei habe ich mir einfach nur jemanden gewünscht«, sagt Amit, »mit dem ich mal Kaffeetrinken gehen kann.«
    Auch Susanne hat irgendwann kaum noch Lust, sich mit anderen zu treffen. Immer die Vermittlerin, die Dolmetscherin zu spielen, das ist anstrengend. Sie fühlt sich unter Druck, schließlich will sie, dass Amit ankommt, glücklich ist. Immer mal wieder stellt sie ihm die Männer von ihren Freundinnen vor. Aber irgendwie klickt es nie.
    Zu Hause ist es immer noch am schönsten
    Â»Zu erwarten, dass der Partner die vorgeschlagenen Personen als Schlüsselpersonen akzeptiert, das ist ein häufiger Fehler«, sagt Valentina Veneto Scheib. Ich bin zu ihr nach Frankfurt gefahren, denn sie kennt sich aus: Zum einen therapiert die Psychologin seit über 20 Jahren Migranten und internationale Paare. Zum anderen weiß sie aus eigener Erfahrung, was es heißt, in einem anderen Land klarkommen zu müssen: Sie ist Italienerin, ihr Mann Deutscher. »Oft, wenn er mir Freunde oder Bekannte vorgeschlagen hat«, erzählt sie, »habe ich festgestellt: Ich finde keine Anknüpfungspunkte, habe kein Interesse an diesen Menschen.«
    Valentina Veneto Scheib arbeitet in einer kleinen Klinik, dort gibt es viele Therapeuten und Ärzte, die türkisch, persisch, arabisch oder russisch sprechen. Denn eine Therapie, die nicht in der Muttersprache stattfindet, funktioniert kaum. Wer Veneto Scheib in ihrem Büro besuchen will, muss zunächst an einigen Sicherheitsschleusen vorbei. Die Türen sind mit Codes oder Sicherheitsschlössern verschlossen, die Fenster verriegelt, das Treppenhaus durch Netze gesichert. Denn mancher, der hierherkommt, will nicht mehr leben.
    Â»Menschen, die ihr Land verlassen, machen typischerweise einen Trauerprozess durch«, sagt Veneto Scheib. »Manche bekommen sogar körperliche Schmerzen, laufen von Arzt zu Arzt, ohne dass eine Ursache gefunden wird. Sie haben etwas hinter sich gelassen, das ihnen bekannt war. Ein Land, von dem sie wussten, wie man sich darin bewegen soll, wie man Aussagen oder Verhalten anderer deuten kann. Das bedeutet viel!«
    Wie bei der Trauer um einen Menschen, erklärt mir die Psychologin, gibt es auch bei Auswanderern typische Trauerphasen. Am Anfang schaltet man auf Autopilot: Man muss überleben, klarkommen, es gibt tausend Dinge zu regeln, tausend Aufgaben zu erledigen. Irgendwann mischen sich die Gefühle. Zu der Anfangseuphorie gesellen sich erste Probleme. Und je mehr diese Probleme zunehmen, desto näher rückt die dritte Phase: die des Schmerzes. Erst dann realisieren viele, was sie eigentlich gemacht haben, dass sie nicht nur in einem langen Urlaub sind, sondern dass sie ihr Land verlassen haben, und dass sie nun so vieles vermissen. Schließlich sollte sich irgendwann die vierte Phase anschließen: die der Neuorientierung, in der man sein neues Leben in die Hand nimmt und etwas daraus macht.
    Trauer also – als ob jemand gestorben wäre, den man schrecklich vermisst. Genauso wie man über Verstorbene nicht schlecht rede, sagt Valentina Veneto Scheib, stellten viele auch ihr Heimatland auf einen Sockel. Auf einmal war zu Hause alles schöner, einfacher und generell besser.
    Das konnte ich auch an Morten beobachten, als er bei mir in Deutschland lebte: Dänemark habe eine längere Küste, sagte er damals. Außerdem könne man alles online erledigen, selbst im Kiosk mit Karte bezahlen, und man dürfe ohne Segelschein segeln. Telefonieren sei billiger, die Möbel stilvoller, die Landschaft schöner, und der Rotkohl schmecke besser. Roberto hingegen kann stundenlang davon schwärmen, wie sauber die Straßen in Spanien seien, wie gesund das Essen, wie offen die Leute und wie viel besser ausgebildet die Kellner in den Restaurants seien. Und außerdem würden die Kinder schon viel früher lesen lernen. Mit genauso großem Eifer regt er sich auch über das komplett unzivilisierte Müllsystem in Hamburg auf, bei dem die Säcke einfach draußen abgestellt werden, und über die Banken, die ja in

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