Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
Lügner, wie man erwartet, lügen immer und die Edlen sprechen immer, wirklich immer die Wahrheit. Dumm ist nur, dass man sie vom Äusseren her nicht unterscheiden kann.«
Ich nickte, als hätte ich verstanden, was ja auch stimmte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das glauben sollte. Die konnten tatsächlich unmöglich lügen?
»Ozeanien, das liegt an einer Küste, die Dojemi-Wüste und die Roky Mountains, das ist die Region mit der grössten Bergkette von Taquanta, sie ist genau …«
»Roky Mountains? Die haben wir auch! Also, fast, denn bei uns heissen sie ›Rocky Mountains‹. Das ist irgendwie … seltsam. Ozeanien gibt es bei uns auch. Ebenso wie der Pazifikanische, also der Pazifische Ozean. Diese zwei Welten, also deine und meine, scheinen irgendwie eine Verknüpfung zu haben.«
»Scheint so, aber haben sie auch etwas gemeinsam in ihrer Art, nicht nur in einigen Namen?«
»Nun, in beiden Welten gibt es attraktive Jungen und …«, O mein Gott, hatte ich dies gerade gesagt? Ich musste die Situation irgendwie retten. »… und Bäume und Blumen und Wasser und …« Zum Glück ignorierte er meine Bemerkung geflissentlich wie ein echter Gentleman.
»Jedes Ratsmitglied vertritt eine dieser Regionen. Sie treffen sich bei Vollmond und bei Notfällen, wie diesem zum Beispiel. Die Mitglieder leben in ihrer jeweiligen Region und berufen dort regelmässig Sitzungen ein, damit jedes Lebewesen vertreten wird. Der Rat regiert das Land, doch die Königin hat immer das letzte Wort. Also eigentlich ist der Rat ohne sie absolut machtlos. Sonst noch etwas?«
Ich überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf.
»Wenn nicht, dann sollten wir vielleicht langsam schlafen gehen, denn es ist schon dunkel draussen. Und wenn du noch mehr Fragen hast, was zweifellos der Fall ist, sofern ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute, dann kannst du sie ja immer noch morgen oder übermorgen oder an einem anderen Tag stellen, einverstanden?«
Überrascht blickte ich durch das hohe Panoramafenster. Es war tatsächlich schon dunkel. Die Welt draussen schien in Dunkelblau zu versinken und die Sterne glitzerten. Ich trat ans Fenster heran, um sie genauer betrachten zu können. Sah mein Vater sich wohl auch gerade denselben Himmel, vielleicht sogar dieselben Sterne an? Ich schaute hinüber zu der Hügelkette, von wo aus ich heute Mittag die Stadt bewundert hatte. War das tatsächlich erstheute gewesen? Ich wollte mich gerade wieder abwenden, als ich etwas Seltsames sah. Ich war mir nicht sicher, ob ich nur halluzinierte oder ob es real war, doch als sich das Ganze wiederholte, war ich mir sicher.
»Was ist das?«, fragte ich Giardio und zeigte in die Richtung, in der das seltsame Geschehnis stattgefunden hatte. Und da passierte es wieder. Am Himmel, direkt über einem der Hügel, verschwand plötzlich ein leuchtender Stern, auf dem Hügel erstrahlte etwas in gelblichem Licht, und dann erschien ein neuer Stern ungefähr zehn Meter neben der Stelle, von wo der letzte verschwunden war. Er blickte genauer hin, kniff die Augen zusammen und lächelte.
»Das ist der Hügel Vultestella. Dort lebt Zirkatrius, der Sternenpflücker.«
»Der
was?
«
»Ich zeige es dir einmal bei Gelegenheit.«
Ich wollte schon protestieren, doch er legte einen Finger auf meine Lippen und eine Art elektrischer Schlag durchfuhr meinen Körper. Ich konnte ihm nur in die tiefen, wundervollen Augen blicken.
»Bei Gelegenheit, doch jetzt musst du ins Bett und …«, er gähnte übertrieben herzhaft, »ich auch. Schlaf schön.« Er griff hinter sich und klingelte mit dem kleinen Glöckchen.
Geweckt wurde ich durch die Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster fielen; ich hatte so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Im Zimmer war es hell, und die Vorhänge standen weit offen. Das Zimmermädchen musste sie geöffnet haben, während ich schlief. Glücklich liess ichmich mit ausgebreiteten Armen zurück in die Kissen fallen. Mein Kopf berührte ein Stück Papier, das ich vorher übersehen hatte.
Wenn du wach bist, klingle mit dem Glöckchen, und jemand wird kommen und sich um dich kümmern. Triff mich dann im Garten bei der königlichen Menagerie. Giardio
Ich fuhr mit meinem Finger über die Schrift und stellte mir vor, wie er diese Zeilen schrieb. Das brachte mich zum Lächeln, und ich sah mich um, auf der Suche nach dem erwähnten Glöckchen. Als Antwort auf mein Klingeln klopfte es an der Tür, und ein junges, blondes Mädchen mit zu einem langen Zopf
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