Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
gehört, in meine Lungen strömte, begann meine Kehle zu brennen. Schon wieder. Doch dieses Mal war es schlimmer als je zuvor. Ich hatte das Gefühl, ich bekäme keine Luft mehr. Mein Atem kam stossweise, und ich vergrub meine Nägel in Giardios Schultern. Ich konnte spüren, wie er sich unter meiner Berührung verkrampfte. Er lachte nervös.
»Au, Lizzy, Au … ähm, es freut mich ja, wie sehr du willst, das ich hierbleibe, aber mit Gewalt wird das nichts. Lizzy, au.«
Er versuchte meine Finger zu lösen. Ich wusste, ich tat ihm weh, aber ich konnte nicht loslassen. Meine Kehle brannte, und ich hatte das Gefühl, als erfüllte sein Geruch jede Faser meines Körpers. Ich dachte, ich hörte sein Blut pochen, und würde das Pulsieren der Adern unter meinen Fingern spüren. Allmählich verlor ich den Verstand. Er merkte wohl, wie mein Griff sich für eine kurzen Moment lockerte, denn blitzschnell entwand er sich geschickt meinen Händen und hielt mich auf Armeslänge von sich weg. Mir tief in die Augen schauend sagte er: »Was war das?« Er schien besorgt und meine Verwirrung spiegelte sich in seinen Augen.
»Ich … ich weiss nicht. Ich konnte nicht …« Ich konnte nicht antworten. Es gab keine Antwort. Wir sahen uns nur schweigend an.
»Sie sind so dunkel«, murmelte er.
»Wie bitte?«
»Deine Augen sind so dunkel. Ungewöhnlich. Sonst sind sie immer wie zwei leuchtende Smaragde, doch jetzt …« Er brach ab. Es war nicht wichtig. Es
war
nicht unwichtig. Es war einfach. Ich wusste, ich sollte der Sachenachgehen, doch ich hatte in diesem Moment keine Energie dazu. Wie auch, wenn ich wusste, dass Giardio gleich in den Krieg ziehen würde? Wahrscheinlich war es sowieso nur das Licht.
Eine Fanfare ertönte.
»Ich muss gehen«, flüsterte er mir ins Ohr.
»Ich weiss.«
Er drückte mich für einen kurzen, süssen Moment an sich und schwang sich auf sein Pferd. Er sah zu mir herab, dann beugte er sich nach unten, so dass sein Gesicht fast auf gleicher Höhe mit meinem war.
»Bis bald«, sagte er lächelnd.
Ich sah ihm ins Gesicht. Betrachtete dieses Lächeln, das schien, als sei es von einer anderen Welt; seine bezaubernden Augen, die Wangenknochen, die hohe Stirn, sein Haar, das herrlich schimmerte im Glanz der aufgehenden Sonne, und seine Lippen, die vollen, geschwungenen. Und da musste ich es mir eingestehen: Ich liebte ihn. Egal, wie sehr ich versuchte, mich dagegen zu wehren, es war gewesen. Ich hatte mich in ihn verliebt. Die Erkenntnis übermannte mich so plötzlich, dass ich taumelte. Er streckte einen Arm aus, um mich zu stützen.
»Alles in Ordnung?«
Doch statt einer Antwort stellte ich mich auf die Zehenspitzen, streckte mich und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Sie schmeckten nach Vertrauen, Mut und Versprechen. Unsere Lippen berührten sich kaum, es war eher wie der Flügelschlag eines Schmetterling als ein richtiger Kuss, und doch dachte ich danach noch etliche Stunden daran. Es war einer der herrlichsten und wahrscheinlich auch kürzesten Küsse in der Geschichte Taquantas und er gehörte allein Giardio und mir. Ich zogmich zurück, biss mir unsicher auf die Lippe und lächelte scheu zu ihm hinauf. Seine Hand ruhte auf meiner Wange, und er sah mich strahlend an.
»Danke«, hauchte er so leise, dass ich es nur an seinen Lippenbewegungen entziffern konnte.
»Bis bald«, sagte ich laut genug, damit er mich verstand. »Und fall nicht vom Pferd.«
Er lachte: »Ich geb mir Mühe. Versprochen.«
Giardio zwinkerte mir zu, und unsere Augen begegneten sich noch ein letztes Mal, dann stiess er seinem Pferd die Fersen in die Flanken und reihte sich im Zug der Soldaten ein, die den Schlosshof verliessen. Vor wenigen Tagen hatten alle noch ausgelassen beim Schlachtenmahl gefeiert, und nun würden sie um ihr Leben kämpfen. Ich seufzte. Sogar Cookie Fritz ritt mit. Er trug dieselbe Rüstung wie Giardio und seine widerspenstigen Haare waren glatt nach hinten gegelt. Er nickte mir zu, als er an mir vorbei in den möglichen Tod ritt. Wie viele würden wohl ihr Leben lassen müssen? Der Gedanke war zu beängstigend, zu real, um ihn weiterzuverfolgen.
Ich sah ihnen mit gemischten Gefühlen nach und hoffte inständig, Giardio würde sich noch einmal umdrehen. Er tat es.
»Du siehst aber glücklich aus. Dir ist klar, dass sie gerade in den Krieg, das heisst möglicherweise hinter den Mond gezogen sind?« Ich drehte mich um und sah Isabelle an. Sie starrte mit unglücklich grimmiger Miene zurück.
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