Taran Bd 1 - Das Buch der Drei
hätte so oder so erfahren, wo wir uns aufhalten. Er lässt mich beobachten, seit ich von Caer Dathyl aufgebrochen bin. Die Gwythaints sind nicht die einzigen Kreaturen, die er in seine Dienste gezwungen hat.«
»Aber gewiss die schlimmsten!«, sagte Taran, während er sich bemühte, mit Gwydion Schritt zu halten.
»Weit gefehlt!«, entgegnete der Fürst. »Die Gwythaints sind in der Hauptsache Arawns Kundschafter. Dazu werden sie von klein auf ausgebildet. Arawn versteht ihre Sprache und hat sie von dem Augenblick an, da sie das Ei verlassen, in seiner Gewalt. Dennoch sind sie Geschöpfe von Fleisch und Blut, ein Schwertstreich kann sie erledigen. Es gibt andere Knechte Arawns, gegen die alle Schwerter der Erde machtlos sind. – Hast du von den Kesselkriegern gehört?«
»Von den Kesselkriegern?«, fragte Taran erstaunt.
»Ich spreche nicht gern davon«, sagte Gwydion. »Es sind Tote, die König Arawn aus den Gräbern geraubt und sich dienstbar gemacht hat. Er siedet sie, heißt es, so lange im Schwarzen Kessel, bis sie zu neuem Leben erwachen. Doch was für ein Leben ist das? Die Kesselkrieger sind, wie die Toten, für ewige Zeiten stumm – und ihr einziges Verlangen besteht darin, andere Menschen ins Unglück zu bringen. Arawn hält sie als seine Leibwächter in Annuvin, denn sobald sie sich von ihrem Herrn und Meister entfernen, beginnt ihre Kraft zu schwinden. Je länger und weiter weg von ihm, desto schwächer werden sie. Trotzdem sendet Arawn von Zeit zu Zeit einige dieser lebenden Toten aus, wenn es irgendwo eine besonders grausame Tat zu vollbringen gilt. Die Kesselkrieger sind gänzlich ohne Erbarmen und Mitleid. Arawn hat in ihnen jede Erinnerung an ihr früheres Menschsein ausgelöscht. Sie wissen nichts mehr von Leid und Freude, von Sorgen und Liebe. Von allen Missetaten Arawns ist dies eine der schrecklichsten.«
Nach langem Suchen entdeckte Gwydion Hen Wens Spur noch einmal. Sie führte über ein Brachfeld zu einer flachen Schlucht. »Hier endet die Fährte«, sagte er stirnrunzelnd. »Doch Hen Wen kann nicht gut in die Erde versunken sein.«
Sorgfältig untersuchte er den Boden auf beiden Seiten der Schlucht. Taran war so müde und niedergeschlagen, dass er sich kaum noch auf den Füßen halten konnte. Er war froh, als die Abenddämmerung seinen Gefährten nötigte, von der weiteren Suche abzulassen.
Gwydion band Melyngar im Dickicht fest. Taran ließ sich zu Boden fallen und stützte den Kopf in die Hände.
»Hen Wen ist endgültig verschwunden«, sagte der Fürst und holte etwas von seinen Vorräten aus der Satteltasche. »Mancherlei kann ihr zugestoßen sein. Hoffen wir, dass sie wohlauf ist!«
»Was können wir tun?«, fragte Taran bekümmert.
»Der beste Weg ist nicht immer der kürzeste«, sagte Gwydion. »Am Rande der Adlerberge soll ein uralter Mann hausen, Medwyn mit Namen. Man erzählt sich von ihm, dass er mit allen Tieren Prydains auf vertrautem Fuß lebe. Wenn überhaupt jemand wissen kann, was mit Hen Wen geschehen ist – dann wohl er.«
»Den sollten wir also fragen«, meinte Taran.
»Das wird nicht ganz einfach sein«, sagte Gwydion. »Ich habe Medwyn noch nie zu Gesicht bekommen. Andere haben nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden. Die Hoffnung, ihn aufzuspüren, ist nicht sehr groß.« Ein Wind hatte sich erhoben und wisperte in den Baumkronen. Aus der Ferne war Hundegebell zu vernehmen. Gwydion richtete sich auf, er wirkte gespannt wie eine Bogensaite.
»Ist das der Gehörnte König?«, fragte der Junge. »Ist er uns auf der Spur?«
Gwydion schüttelte den Kopf. »Keine gewöhnlichen Hunde bellen so«, sagte er. »Das ist die Meute von Gwym, dem Jäger. Auch er reitet also hier herum …«
»Einer von Arawns Leuten?«, fragte der Junge ängstlich.
»Ich kenne den Herrn nicht, in dessen Diensten er steht«, sagte Gwydion. »Vielleicht dient er einem, der größer ist als Arawn. Du musst wissen, dass Gwym stets allein durch die Lande reitet. Wo er mit seinen Hunden auftaucht, wird bald eine blutige Schlacht geschlagen. Er ahnt Tod und Gemetzel voraus; und während er den Kampf aus der Ferne beobachtet, bestimmt er die Krieger, die fallen müssen.«
Über das Gekläff der Hundemeute hinweg erscholl der lang gezogene Ruf eines Jagdhorns. Er traf Taran wie eine eiskalte Klinge mitten ins Herz. Von den Hügeln tönte das Echo hernieder. Es lag eine unsagbare tiefe Trauer in diesem Widerhall – als sei alles, was gut und schön war auf dieser Erde, unwiederbringlich
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