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Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet

Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet

Titel: Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lloyd Alexander
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schleift. »Wer bist du?«, wiederholte die Stimme. »Wer bist du?«
    Taran versuchte mit aller Macht sich dem Griff zu entziehen. Dann aber erkannte er, dass seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Gurgi winselte erbärmlich. Tarans Gedanken verwirrten sich. Das grelle Licht einer Kerze stach ihm in die Augen. Als er wieder klarer sehen konnte, blickte er in ein hageres, lehmfahles Gesicht und in ein Paar eiskalte, kristallklare Augen, die unter dem Gestrüpp der Brauen wie aus der Tiefe eines Brunnen glitzerten. Der Schädel war kahl. Der Mund glich einer farblosen Narbe, und die Runzeln der Falten, die den Mund umgaben, waren wie die weißen Narben der Stiche, die die Wunde einst zusammengehalten hatten. »Wie seid ihr hierher gekommen?«, fragte Morda gebieterisch. »Was wollt ihr von mir?«
    In der ungewissen Beleuchtung konnte Taran kaum mehr erkennen, als dass er sich in einer niedrigen Kammer mit einem erkalteten Herd befand. Er selbst lehnte in einer Ecke. Gurgi lag auf den Steinen neben ihm. Er erblickte Kaw, der, an den Flügeln gefesselt, in einem Weidenkorb saß, und rief ihn an.
    »Was soll das heißen?«, fuhr der Zauberer auf. »Gehört der Vogel etwa dir? Er hat, genau wie du, eine meiner Schlingen gefunden. Keiner kommt hier herein, ohne dass ich es weiß. Das hast du ja schon erfahren. Jetzt aber ist es Zeit, dass ich von dir etwas erfahre.«
    »Ja, der Vogel gehört mir«, antwortete Taran mutig. Seine einzige Chance auf Rettung sah er darin, sich so weit wie nötig an die Wahrheit zu halten, seine eigentliche Absicht aber nicht zu enthüllen. »Er flog über das Dornengesträuch und kam nicht mehr zurück. Wir fürchteten, dass ihm etwas geschehen sei, und so suchten wir ihn. Wir sind unterwegs nach den Bergen von Llawgadarn. Du hast keinen Grund, uns aufzuhalten.«
    »Ihr habt euch selbst aufgehalten«, erwiderte Morda, »ihr Dummköpfe, die ihr nicht einmal den Verstand einer Fliege habt. Nach den Bergen von Llawgadarn, sagst du? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Im Menschengeschlecht gibt es viel Habsucht und Neid, aber wenig Wahrheitsliebe. Dein Gesicht spricht an deiner Stelle und nennt dich einen Lügner. Was willst du vor mir verbergen? Aber das spielt keine Rolle. Die lumpige Zahl von Tagen, die ihr Leben nennt, ist abgelaufen. Ihr werdet hier nie mehr herauskommen. Aber da ihr jetzt in meiner Hand seid, könnte es sein, dass ihr mir nützlich sein werdet. Das muss ich mir noch überlegen. Euer Leben hat vielleicht doch einen Sinn – für mich jedenfalls, wenn schon nicht für euch.«
    Es waren nicht diese Worte allein, die Taran mit nacktem Entsetzen erfüllten. Mordas Augen waren immer geöffnet. Und selbst wenn er in das Licht der Kerzenflamme blickte, senkte sich nie auch nur für einen Bruchteil einer Sekunde das runzlige Lid über den kalt starrenden Augapfel. Fasziniert und gelähmt konnte Taran sich nicht von dem bewegungslosen Blick lösen.
    Der Zauberer richtete sich auf und zog das schmutzige, fadenscheinige Gewand enger um seinen verfallenen Leib. Taran stöhnte auf: Um Mordas welken Hals hing eine silberne Kette mit dem Abbild des zunehmenden Mondes. Wie er wusste, gab es nur noch eine einzige Person, die ein ähnliches Schmuckstück trug: Prinzessin Eilonwy, die Tochter von Angharad. Mordas Mondsichel jedoch – im Gegensatz zu Eilonwys – umschloss einen ungewöhnlich geformten, glashellen Stein, dessen geschliffene Flächen blitzten, als würden sie von einem inneren Feuer beleuchtet. »Das Zeichen des Hauses von Llyr!«, schrie Taran auf.
    Morda machte eine jähe Bewegung und trat zurück. Mit seinen Spinnenfingern umklammerte er den Stein. »Tor«, zischte er. »Wolltest du das haben? Ja, ja«, murmelte er, »das war wohl die Absicht.« Seine blutleeren Lippen verzogen sich unmerklich, als er Taran mit seinen nackten Augen anstarrte. »Zu spät. Prinzessin Angharad ist lange tot, und alle Geheimnisse des Steins gehören mir.«
    Taran wandte den Blick nicht von ihm. Er war bestürzt, den Namen hier zu hören. »Angharad, Tochter von Regat?«, flüsterte er. »Eilonwy hat nie das Schicksal ihrer Mutter erfahren. Aber es lag in deiner Hand, in deiner Hand.« Er konnte sich nicht länger zurückhalten. »In deiner Hand lag ihr Tod beschlossen!«
    Morda schwieg eine Zeit lang, als habe sich seiner ein düsterer Traum bemächtigt. Als er sprach, klang aus seiner Stimme tiefer Hass. »Glaubst du, mich würde Leben oder Tod eines dieser jämmerlichen Geschöpfe

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