Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
bewegen? Ich habe genug von der Menschenart gesehen und beurteile sie so, wie sie sind: gemeiner als Tiere, blind und ohne Verstand, streitsüchtig, verstrickt und verfangen in ihren kleinen Sorgen. Sie verzehren sich in Stolz und nutzlosem Streben. Sie lügen und betrügen. Ja, ich bin auch ein Mensch. Ein Mensch!« Er stieß das Wort voll Verachtung aus. »Aber ich weiß seit Langem, dass es nicht meine Bestimmung ist, einer von ihnen zu sein, und seit langem wohne ich fern von ihren Streitigkeiten und Eifersüchteleien, von ihren kleinen Leiden und armseligen Freuden.« Die Augen des Zauberers leuchteten in ihren tief eingesunkenen Höhlen. »Und wie ich mich nicht so weit herablassen wollte, ihr Leben zu teilen, so wollte ich auch ihren Tod nicht teilen. Allein auf mich gestellt, studierte ich die Geheimnisse der Zauberkunst. Aus alter Überlieferung erfuhr ich, dass die Unterirdischen gewisse edle Steine in geheimen Schatzkammern verbargen. Wer einen davon besaß, der gewann ein Leben, das weit länger währte, als die kurze Spanne Zeit, die einem Sterblichen gegeben ist. Niemand hatte diese Schatzkammern gefunden, und wenige hatten es gewagt, auch nur danach zu suchen. Doch ich wusste genau, dass ich den Weg finden würde.
An einem Winterabend kam eine, die sich Angharad von Llyr nannte, zu mir«, fuhr der Zauberer fort, »und bat mich um ein Nachtlager. Sie behauptete, man hätte ihre Tochter geraubt und sie würde sie suchen.« Der Hexenmeister verzog den Mund. »Als ob mir ihr Schicksal oder das Schicksal des Mädchens irgendetwas bedeutet hätte. Für Unterkunft und eine Mahlzeit bot sie mir den Tand an, den sie um den Hals trug. Ich hatte dieses Tauschgeschäft nicht nötig. Der Schmuck gehörte bereits mir, denn, schwach und von Fieber geschüttelt, wie sie war, konnte sie ihn nicht vor mir bewahren, wenn ich ihn haben wollte. Sie überlebte die Nacht nicht.«
Voll Abscheu wandte sich Taran ab. »Du hast ihr das Leben geraubt, so sicher wie du ihr einen Dolch ins Herz gestoßen hast.«
Mordas scharfes, bitteres Lachen klang wie das Zerbrechen trockener Stecken. »Ich habe sie nicht gebeten, hierher zu kommen. Ihr Leben hatte für mich nicht mehr Wert als das Buch mit den leeren Seiten, das ich unter ihren Habseligkeiten fand. Und doch hatte das Buch in gewisser Weise einen Wert: Einst fand ein winselnder Wicht den Weg zu mir. Glew hieß er, und er wollte ein Zauberer werden. Armseliger Schafskopf! Er drängte mich, ihm einen Zauberspruch zu verkaufen, ein Amulett, ein geheimes Wort von großer Kraft. Ein kläglicher Möchtegern! Es machte mir Spaß, ihm eine Lektion zu erteilen. Ich verkaufte ihm das leere Buch und schärfte ihm ein, das Buch nicht zu öffnen, bevor er nicht weit von hier weg sei, sonst würden die Zaubersprüche unsichtbar.«
»Glew!«, murmelte Taran vor sich hin. »Du also hast ihn betrogen.«
»Es war bei ihm wie bei euch allen«, antwortete Morda, »die eigene Gier und Habsucht haben ihn betrogen, nicht ich. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, und es ist mir auch gleichgültig. So viel aber hat er mit Sicherheit gelernt: Die Geheimnisse der Zauberkunst kann man nicht mit Gold kaufen.«
»Noch kann man sie durch Herzlosigkeit und Gemeinheit an sich reißen, so wie du es getan hast«, gab Taran heftig zurück.
»Herzlosigkeit? Gemeinheit?«, sagte Morda. »Kreaturen wie du selbst mögen mit solchen Worten spielen, mir aber bedeuten sie nichts. Das Buch diente dazu, einen Narren seine Narrheit kosten zu lassen. Das Kleinod aber diente mir, so wie endlich alles mir dienen wird. Die Dame Angharad hatte mir gesagt, dass der Edelstein harte Bürden und schwere Aufgaben leichter machen würde. Und das ist wahr. Wenn ich auch Jahre damit zugebracht habe, die Geheimnisse des Steins zu erproben, so habe ich gelernt, sie zu meistern. Auf meinen Befehl wurden die mächtigsten Äste zu kleinen Zweigen. Mit Hilfe des Steins errichtete ich eine Mauer aus Dornen. Und als meine Erfahrung zunahm, fand ich eine verborgene Quelle.« Die bewegungslosen Augen des Zauberers blitzten triumphierend. »Schließlich«, flüsterte er, »brachte mich der Stein dorthin, wohin ich wollte: zur Schatzkammer des Feenvolkes. Dieser Hort barg zwar keinen der lebensspendenden Steine«, sprach Morda weiter. »Aber das bedeutete nichts. Ich würde sie anderswo finden. Alle Kammern, Stollen, verborgenen Wege der Kleinen Leute lagen nun offen vor mir. Einer von den Wächtern der Unterirdischen entdeckte mich.
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