Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
mit den gefährlichen Krallen schlugen nach dem Zauberer, doch dieser hatte sich an ihrem Buckel festgekrallt, sodass die Schläge ihn nicht trafen. Jaulend und fauchend warf die große Katze den Kopf hin und her, die scharfen Zähne blitzten angriffslustig, aber sie konnte sich nicht aus der Umklammerung des Zauberers befreien. Taran wusste, dass ihre Kraft bald nachlassen würde. Der Knochen! Taran ließ sich auf Händen und Knie nieder. Nirgends sah er den Knochensplitter. Er warf hölzerne Schemel zur Seite, stieß irdene Gefäße um, stocherte in der Asche des Herdes – der Knochen war verschwunden. Da quiekte und zirpte es hinter ihm, und als er sich umwandte, sah er die Maus. Im Mäulchen hielt sie den Knochensplitter. Sofort nahm Taran das blank polierte Ding. Verzweifelt stöhnte er auf. Der Knochen wollte nicht zerbrechen.
Der Zauber ist gebrochen
aran mühte sich mit zusammengebissenen Zähnen und zitternd vor Anspannung, doch der blanke Splitter war unnachgiebig wie Eisen. Er fühlte, dass er gegen den Zauberer selbst ankämpfte. Dieser war vom Rücken der erschöpften Riesenkatze gesprungen und wandte sich nun wieder Taran zu. Er griff nach dem Knochen, packte ihn in der Mitte. Taran hielt verzweifelt die äußeren Enden fest. Er fühlte, wie sich der Splitter bog, als Morda ihn seiner Hand entreißen wollte. Plötzlich brach der Knochen mit einem entsetzlichen Knall, durchdringender und lauter als ein Donnerschlag. Tarans Trommelfell schien zu bersten. Mit einem grauenhaften Schrei, der die Wände erbeben ließ, taumelte Morda zurück, erstarrte, griff in die leere Luft und stürzte polternd wie ein Stapel Brennholz zu Boden. Im gleichen Augenblick verschwand die Maus, und Gurgi stand neben Taran.
»Lieber Herr rettet uns!«, kreischte er und umarmte Taran. »Ja! Ja! Gurgi ist wieder Gurgi! Nicht mehr eine Maus mit Quieken und Pfeifen!«
Der zerbrochene Splitter in Tarans Hand war zu grauem Staub geworden. Er ließ ihn durch die Finger laufen. Vor Aufregung und Erschöpfung war er noch unfähig zu sprechen und streichelte Gurgi nur zärtlich und dankbar. Llyan atmete heftig, hatte sich aber wieder aufgerichtet. Das goldbraune Nackenfell und der lange Schwanz waren noch wütend gesträubt, ihre goldenen Augen blickten suchend umher, und aus ihrem Rachen kam ein ängstlicher, fragender Ton. Gurgi befreite Kaw, der laut vor sich hin schwatzte und aufgeregt mit den Flügeln schlug.
»Großer Belin!«, ertönte plötzlich Fflewddurs Stimme. »Ich sitze immer noch in der Falle!«
Llyan sprang sofort in eine Ecke der Stube, Taran folgte ihr: Der Barde saß eingezwängt in dem Weidenkorb, in den der Hexenmeister den Hasen gesperrt hatte. Seine langen Beine baumelten auf der einen Seite über den Rand, und seine Arme hingen hilflos an der anderen Seite herab. Taran und Gurgi machten sich gemeinsam daran, den Barden zu befreien. Sein Gesicht war aschfahl, sein Blick stier, und er brabbelte unzusammenhängendes Zeugs vor sich hin. Dann schüttelte er den struppigen Haarschopf und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
»Welch eine Demütigung!«, platzte er los. »Ein Fflam! In ein Karnickel verwandelt! Ich dachte, man stopft mich in einen Sack. Bei Belin! Meine Nase juckt mich immer noch! Nie wieder! Ich habe dir doch gesagt, es kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn man sich einmischt! In diesem Fall allerdings war es ein Glück, dass du diesen Knochen behalten hast, Taran, alter Freund. Ah, oh! Vorsicht! Diese verdammten Weidenruten pieken mich. Ein Kaninchen! Wenn ich doch nur meine Pfoten – Hände, meine ich natürlich – an diesen, diesen üblen Burschen legen könnte!«
Als Fflewddur endlich aus seiner unbequemen Lage befreit war, schlang er die Arme stürmisch um Llyans kräftigen Nacken. »Und du, altes Mädchen! Wenn du nicht gekommen wärst …« Er hielt schaudernd inne. »Nun ja, wollen wir gar nicht daran denken.«
In der Tür stand eine kurze, gedrungene Gestalt in derben Stiefeln und einer rostfarbenen Lederjacke. Auf dem Kopf trug sie eine eng anliegende runde Kappe. Die Daumen lässig in den Gürtel gesteckt, betrachtete sie die Gefährten mit ihren leuchtend roten Augen. Statt des verdrossenen Ausdrucks lag nun ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht.
»Doli!« Taran erblickte den Zwerg zuerst. »Bist du wieder du selbst!«
»Wieder?«, fuhr Doli auf und versuchte möglichst barsch zu wirken. »Ich war immer ich.« Er trat in die Stube. Einen Augenblick betrachtete er
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