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Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet

Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet

Titel: Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lloyd Alexander
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und stürzte und schrie auf, als die Flammen wie eine Purpurwoge emporstiegen. Gurgi, der etwas entfernt stand, hörte den Schrei. Craddoc erkannte sofort die Gefahr, in der Taran schwebte, schwang sich auf der Krücke herum und war noch vor Gurgi an Tarans Seite. Der Hirte ließ sich zu Boden fallen, schützte Taran mit dem eigenen Körper vor den Flammen und zerrte ihn aus dem Gestrüpp. An der Stelle, an der Taran sich verfangen hatte, prasselten und knackten bereits die brennenden Dornenbüsche.
    Der Hirte raffte sich stöhnend auf. Taran war unverletzt geblieben, aber Craddocs Brauen und Hände waren versengt. Doch der Hirte lächelte, schlug Taran auf die Schulter und sagte mit rauer Zärtlichkeit: »Ich habe den Sohn nicht gefunden, um ihn gleich wieder zu verlieren«, und ging wieder an die Arbeit.
    »Ich danke dir«, rief ihm Taran nach. Aber in seiner Stimme schwang neben Dankbarkeit auch Bitterkeit, denn der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, war derselbe Mann, der es vernichtet hatte.
    Und so war es auch in den Tagen, die nun folgten. Wenn ein Schaf erkrankte, umsorgte es Craddoc mit einer Liebe, die Taran zu Herzen ging. Andererseits aber war Craddoc der Mann, der den Traum seiner vornehmen Herkunft zerstört und alle Hoffnung, die er um Eilonwys willen hegte, vernichtet hatte. Wenn der Herde Gefahr drohte, wurde Craddoc wild wie ein Wolf, dachte nicht an seine eigene Sicherheit, sondern bewies einen Mut, den Taran nur bewundern konnte. Und doch hielt ihn dieser Mann gefangen – gefangen in den Fesseln der Blutsverwandtschaft. Craddoc aß nicht, bevor nicht Taran und Gurgi satt waren. Nicht selten stand er hungrig auf, behauptete aber stets, sein Appetit sei gering. Doch dieses Geschenk blieb Taran im Halse stecken. Er verachtete die Großmut, die er bei jedem anderen hoch geschätzt hätte.
    »Gibt es denn zwei Hirten in diesem Tal?«, fragte sich Taran, »einen, den ich liebe, und einen, den ich hasse?«
    So ging der Sommer dahin. Um die Qual seines zerrissenen Herzens zu vergessen, arbeitete Taran wie besessen, um sich zu beschäftigen. Viel war noch zu tun, und die Schafe mussten immer gehütet werden. Craddoc hatte bisher Mühe gehabt, die neugeborenen Lämmer bei der Herde zu halten und abends alle Schafe sicher und vollzählig in die Hürde zu treiben. Nun bat Gurgi, man möchte ihm die Herde anvertrauen. Die Schafe schienen damit ebenso zufrieden wie er selbst. Glücklich hüpfte er mit den Lämmern umher, plapperte munter mit den älteren Schafen, und selbst der ehrwürdige, übellaunige Widder wurde in seiner Gegenwart sanft. Als die Tage kühler wurden, gab ihm Craddoc eine Jacke aus ungeschorenem Vlies, und wenn Gurgi mit seinen Schützlingen dahinzog, konnte Taran den zottigen Tiermenschen in seinem wolligen Gewand kaum von den Schafen unterscheiden. Oft überraschte ihn Taran, wie er auf einem Felsbrocken hockte, umringt von den Tieren, die ihren Hirten wie in stummer Bewunderung ansahen. Die Schafe folgten ihm überallhin und wären wohl auch hinter ihm in die Hütte getrottet. Wenn Gurgi an der Spitze seiner Herde einherschritt, dann sah er so stolz wie ein Heerführer aus. »Sieh mit Schauen!«, rief er dann. »Sie ehren Gurgi mit Blöken! Ist lieber Herr Hilfsschweinehirt? Kühner, kluger Gurgi ist jetzt Hilfsschafhirt!«
    Tarans Augen aber suchten noch immer das Land jenseits der Gebirgskette. Jeden Abend durchforschte er die Passwege nach einem Zeichen Fflewddurs und die Wolken nach einer Spur Kaws. Er fürchtete, der Rabe wäre zum See Llunet geflogen. Wenn er dort die Gefährten nicht fand, wartete er wohl, vielleicht wurde er ungeduldig und suchte sie irgendwo anders. Und der Barde? Taran hatte mehr denn je das Gefühl, dass Fflewddur nicht mehr hierher zurückkehren würde. Und als die Tage kürzer wurden und der Herbst näher rückte, gab er seinen Beobachtungsposten auf und sah nicht mehr zum Himmel hinauf.

Der Käfig ist offen
    ährend des ganzen Sommers und Herbstes hatten die drei unermüdlich gearbeitet, um die Hütte wieder in Ordnung zu bringen, die ihre einzige Zuflucht für den Winter war. Jetzt, da der erste Schnee vom dicht verhangenen Himmel herabwirbelte und die Bergspitzen mit trockenen weißen Flocken bedeckte, war die Arbeit vollendet. Die Wände, völlig neu aus Feldsteinen aufgeschichtet, erhoben sich stark und festgefügt; das Dach hatten sie mit Stroh gedeckt, sodass es Schutz vor Wind und Wetter bot. Drinnen brannte ein lustiges Feuer auf dem neuen

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