Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
auch nur für eine kurze Zeit. Die Last ist zu groß für ihn. Ich achte ihn, weil er versucht sie zu tragen. Ja, ich achte ihn dafür, aber nur dafür. Seine Pläne kosteten meiner Mutter das Leben, beinahe auch mir. Kann ein Sohn einen solchen Vater lieben? Aber so lange Craddoc lebt, bin ich mit den Banden des Blutes an ihn gefesselt – falls wirklich sein Blut in meinen Adern fließt.«
»Falls?« Fflewddur runzelte die Stirn und sah Taran scharf an. »Du sagst falls – als ob du Zweifel hättest …«
»Craddoc spricht die Wahrheit, wenn er sagt, er sei mein Vater«, antwortete Taran. »Aber ich bin es, der ihm nicht glaubt.«
»Was soll nun das wieder?«, fragte Fflewddur. »Du weißt, dass er dein Vater ist, und gleichzeitig glaubst du es nicht. Das ist zu hoch für mich.«
»Fflewddur, kannst du denn nicht sehen?« Taran sprach langsam und widerstrebend. »Ich glaube ihm nicht, weil ich ihm nicht glauben will. Im tiefsten Innern meines Herzens hatte ich immer – schon als Kind – geträumt, ich könnte von vornehmer Herkunft sein.«
Fflewddur nickte. »Ja, ich verstehe dich.« Er seufzte. »Leider aber kann man sich seine Verwandten nicht aussuchen.«
»Jetzt«, sagte Taran, »ist mein Traum nichts weiter als ein Traum, und ich muss ihn aufgeben.«
»Seine Geschichte klingt wahr«, antwortete der Barde. »Aber was sollst du tun, wenn du Zweifel hast? Ja, Kaw, der Lump, wenn der hier wäre, dann könnten wir ihn mit einer Nachricht zu Dallben schicken. Aber ich zweifle, ob er uns in dieser trostlosen Einöde finden wird.«
»Trostlose Einöde?«, sagte die Stimme Craddocs. Er stand in der Tür. Taran wandte sich rasch um. Er schämte sich seiner Reden, denn er wusste nicht, wie viel Craddoc gehört hatte. Falls der Hirte tatsächlich schon länger da war, dann ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Stattdessen lächelte er aus seinem wetterharten Gesicht, als er auf die Gefährten zuhumpelte. Gurgi folgte ihm. »Als Einöde seht ihr es jetzt, bald aber wird es wieder so schön sein wie je zuvor.« Er legte stolz seine Hand auf Tarans Schulter. »Mein Sohn und ich, wir werden es schaffen.«
»Ich hatte gedacht«, begann Taran langsam, »ich hatte gehofft, du würdest mit uns nach Caer Dallben zurückkehren. Coll und Dallben würden dich willkommen heißen. Das Gehöft ist reich und kann noch reicher werden, wenn du uns hilfst. Das Land hier ist abgewirtschaftet, sodass es wohl nie mehr fruchtbar wird.«
»Was?« Craddocs Gesicht wurde ernst. »Mein Land verlassen? Eines anderen Knecht werden? Jetzt? Wo wir endlich hoffen können?« Aus seinem Blick sprach Schmerz. »Mein Sohn«, sagte er ruhig, »du sprichst nicht alles aus, was dir auf dem Herzen liegt, und ich habe nicht alles gesagt, was ich fühle. Meine Freude macht mich blind für die Wahrheit. Dein Leben hat sich zu lang fern von mir abgespielt. Caer Dallben ist deine Heimat, mehr als es diese Gegend je sein kann, diese Einöde, dieses Brachland – und der Herr dieses Landes ist ein Krüppel.« Der Hirte hatte seine Stimme nicht erhoben, aber seine Worte hallten in Tarans Ohren. Craddocs Züge waren hart wie Stein geworden, aus seinen Augen flammte Stolz. »Ich kann weder verlangen, dass du dies mit mir teilst, noch mag ich einen Sohn an seine Pflicht gemahnen, der mir fremd geworden ist. Wir haben uns wiedergesehen. Wir werden uns wieder trennen, wenn das dein Wunsch ist. Ich halte dich nicht davon ab.« Bevor Taran antworten konnte, drehte sich Craddoc um und ging zur Hürde.
»Was soll ich denn tun?«, rief Taran bestürzt.
Fflewddur schüttelte den Kopf. »Er wird von hier nicht fortgehen, das ist gewiss. Es ist nicht schwer zu erkennen, woher dein eigener Dickkopf stammt. Nein, er wird sich nicht von der Stelle rühren. Aber wenn du zur Ruhe kommen möchtest, dann könntest du allein nach Caer Dallben gehen. Erforsche die Wahrheit bei Dallben. Er allein kann sie dir sagen.«
»Der Winter würde uns überraschen, bevor ich wieder zurückkehren könnte«, wandte Taran ein. Er blickte auf das raue Land und die elende Hütte. »Mein – mein Vater ist am Ende seiner Kräfte. Es ist viel zu tun. Und was getan werden muss, muss getan werden, bevor der erste Schnee fällt.« Eine Zeit lang sagte er nichts. Fflewddur wartete schweigend. Auch Gurgi war still, hatte die Stirn in Falten gelegt und lauschte voll Anteilnahme. Taran blickte beide an, und das Herz tat ihm weh. »Hört mir gut zu, Freunde«, sagte er langsam. »Fflewddur, wenn
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