Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
Herd. Die Holzbänke waren ausgebessert, die Tür hing nicht mehr schief in den zerbrochenen Angeln.
Craddoc hatte sich völlig der Arbeit gewidmet, doch die Hütte war größtenteils Tarans Werk. Die rostigen Werkzeuge hatte er geschärft und gereinigt, um mit ihnen andere Werkzeuge, die er benötigte, herzustellen. Den Plan hatte er gemacht, und er hatte ihn auch in die Tat umgesetzt. Wie er dann vor der Tür stand und der feine Schnee wie Spreu auf sein langes Haar fiel, sah er nicht ohne Stolz den Rauch aus dem neu aufgemauerten Kamin aufsteigen. Craddoc war herausgetreten und stand neben ihm. Der Hirt legte eine Hand zärtlich auf Tarans Schulter. Sie schwiegen. Endlich sagte Craddoc. »All die Jahre habe ich mich bemüht, das zu erhalten, was mir gehörte. Jetzt gehört es nicht mehr mir.« Er lächelte. »Uns«, sagte er.
Taran nickte schweigend.
Im Winter gab es wenig zu tun, so schienen die kurzen Tage länger. Um die Zeit zu vertreiben, erzählte Craddoc von seiner Jugend und von seinem Leben in diesem Tal. Er sprach von seinen Hoffnungen und seinen Mühen. Und langsam empfand Taran Bewunderung für ihn; zum ersten Mal sah er in Craddoc einen Mann, der ihm in mancher Hinsicht glich. So war auch Taran auf Craddocs Drängen bereit, von Caer Dallben zu erzählen und von den Abenteuern, die ihm begegnet waren. Doch geschah es oft, dass er mitten in seiner Erzählung innehielt, wenn die Erinnerung an Eilonwy und an sein früheres Leben plötzlich in ihm hochstieg. Dann brach er jäh ab, wandte sein Gesicht ab und starrte ins Feuer. Und Craddoc drängte ihn nicht, weiterzusprechen.
Die drei verknüpfte ein Band der Zuneigung, das aus gemeinsamer Arbeit entstanden war. Craddoc behandelte Gurgi sehr freundlich, und der Tiermensch war damit wohl zufrieden, besonders, weil er seine Pflichten als Schäfer liebte. Aber eines Tages, zu Beginn des Winters, nahm Craddoc Taran auf die Seite und sagte: »Seit dem ersten Tag habe ich dich Sohn genannt, aber du hast nie Vater zu mir gesagt.«
Taran biss sich auf die Lippen. Früher hätte er seine Bitterkeit laut hinausgeschrien. Immer noch quälte ihn dieses Gefühl, aber jetzt brachte er es nicht mehr übers Herz, einen Mann zu verletzen, den er zwar als Vater ablehnte, doch als Menschen hoch schätzte.
Als Craddoc Tarans Verlegenheit spürte, nickte er kurz. »Vielleicht«, sagte er, »wirst du es eines Tages tun.«
Der Schnee machte die grauen Gipfel schimmernd weiß. Die steilen Berge, die für Taran immer unüberwindliche Hindernisse gewesen waren, schützten nun das Tal vor der Wut der Stürme. Und den gierigen Winden, die durch die eisbedeckten Pässe heulten, hielt die Hütte stand. Eines Spätnachmittags waren Craddoc und Gurgi draußen, um nach der Herde zu sehen. Der Sturm wurde heftiger, und Taran stand auf, um ein dickeres Schaffell vor das schmale Fenster zu spannen. Da sprang die Tür auf, als würde sie aus den Angeln gerissen. Kreischend stürmte Gurgi herein.
»Hilfe! Hilfe! Lieber Herr! Komm mit Eilen!« Gurgis Gesicht war aschfahl, seine Hände zitterten heftig, als er Tarans Arm packte. »Herr! Herr, komm mit Gurgi! Schnell! Oh, schnell!« Er winselte.
Taran ließ das Fell fallen, schlüpfte hastig in eine Pelzjacke, griff nach einem Mantel und rannte durch die offene Tür. Sofort packte ihn der Sturm und warf ihn zurück. Gurgi drängte vorwärts. Taran stemmte sich gegen den Sturm und stolperte neben dem völlig verzweifelten Gefährten über das schneebedeckte Feld. Die Weide, die sie im Sommer gerodet hatten, ging in einen steil abfallenden Abhang über. Gurgi hielt darauf zu, und Taran folgte ihm dicht auf den Fersen. Sie hasteten über Felsbrocken und erreichten schließlich einen steilen Pfad. Gurgi blieb stehen, wimmerte kläglich und deutete hinunter. Entsetzt stöhnte Taran auf. Ein schmaler Felsvorsprung ragte aus der senkrecht abfallenden Wand. Auf ihm lag eine reglose Gestalt, die Arme ausgebreitet, das eine Bein unnatürlich abgewinkelt und mit herabgestürztem Gestein bedeckt. Es war Craddoc.
»Gefallen mit Stolpern!«, stöhnte Gurgi. »Oh, armer Gurgi konnte ihn nicht vor dem Ausgleiten bewahren!« Er schlug sich mit den Händen an den Kopf. »Zu spät! Zu spät zum Helfen!«
Taran war wie versteinert. Der Schmerz durchbohrte ihn wie ein Schwert. Dann aber stieg, erschreckend in seiner Heftigkeit, ein wildes Gefühl der Freiheit aus seinem innersten Herzen empor und überflutete ihn. Sein Bewusstsein war einen Moment lang
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