Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
getrübt, und er hatte die Vision, wie sein steinerner Käfig zerbröckelte.
Der Körper auf dem Felsvorsprung bewegte sich.
»Er lebt!«, schrie Taran.
»Oh, Herr! Wie retten wir ihn?«, jammerte Gurgi. »Schreckliche Hänge sind steil! Sogar kühner Gurgi fürchtet das Klettern!«
»Gibt es keinen Weg?«, rief Taran. »Er ist schwer verletzt, vielleicht tödlich. Wir können ihn nicht im Stich lassen.« Die schneebedeckten Berge begannen sich zu drehen. Er presste die Fäuste auf seine Augen. »Selbst wenn wir zu ihm hinunterkönnten, wie sollten wir ihn heraufholen? Wenn es nicht gelingt – ist nicht nur ein Leben verloren, sondern drei.«
Seine Hände zitterten. Nicht Verzweiflung war in ihm, sondern Entsetzen, schwarzes Entsetzen über seine eigenen Gedanken. Gab es auch nur die geringste Hoffnung, den verletzten Hirten zu retten? Wenn nicht, dann könnte nicht einmal Prinz Gwydion seine Entscheidung tadeln oder irgendein anderer. Sie würden mit ihm seinen Verlust beklagen. Die Tür seines Käfigs öffnete sich weit. Frei war er von seiner Last, frei von dem Tal, und ein ganzes Leben lag vor ihm. Eilonwy, Caer Dallben. Er glaubte seine eigene Stimme zu hören, die diese Worte sprach, und er hörte sie mit Scham und Schrecken. In wildem Zorn schrie er, als wollte sein Herz zerspringen: »Was bin ich für ein Mensch!«
Blind vor Wut auf sich selbst sprang er den Abhang hinunter. Gurgi folgte ängstlich wimmernd. Taran suchte zwischen den eisüberkrusteten Steinen nach einem festen Halt, doch seine erstarrten Finger tasteten vergebens. Der Fels war glatt und steil. Dann plötzlich gab der Fels nach, und Taran stürzte in die Tiefe. Ein Stein traf ihn auf der Brust. Taran schrie auf. Schlitternd folgte Gurgi in einer Lawine aus Eis und Geröll. Tarans Herz schlug zum Zerspringen. Er war auf dem Vorsprung, Craddoc lag neben ihm. Taran kroch näher. Blut sickerte von der Stirn, als der Hirte versuchte den Kopf zu heben. »Sohn, Sohn«, stöhnte er, »du hast dein Leben für mich geopfert.«
»Nein«, antwortete Taran. »Versuche nicht, dich zu bewegen. Wir werden einen Weg zur Rettung finden.« Er erhob sich auf die Knie. Craddoc war noch schwerer verletzt, als Taran befürchtet hatte. Vorsichtig räumte er die schweren Steine fort, die den Hirten begruben.
Gurgi war auf die Felsplatte gesprungen. »Herr! Herr!«, schrie er nun. »Gurgi sieht einen Pfad. Aber steil! Oh, steil! Steil und gefährlich mit Stolpern und Stürzen!«
Taran folgte Gurgis ausgestrecktem Arm mit den Augen. Zwischen den Felsen und dem schneebedeckten Geröll konnte er einen schmalen Fußsteig erkennen, der frei von Eis geblieben war. Doch führte er fast senkrecht empor. Ein Mann allein konnte hinaufklettern – aber zwei, die einen dritten trugen? Er knirschte mit den Zähnen. Der messerscharfe Stein hatte ihn schwer getroffen, und jeder Atemzug füllte seine Lunge mit Feuer. Er bedeutete Gurgi Craddocs Beine zu fassen, während er vorsichtig am Abgrund entlang kroch und seine Hände unter die Schulter des Hirten schob. So sanft wie möglich hoben die Gefährten ihn hoch, aber Craddoc schrie in wildem Schmerz auf. Sie mussten innehalten.
Der Wind war heftiger geworden. Er heulte durch das Tal und riss die Gefährten beinahe über den Felsvorsprung hinab. Noch einmal versuchten sie Craddoc zu dem Fußsteig zu schleppen, und noch einmal mussten sie aufgeben, als der Sturm sie packte. Die frühe Dämmerung senkte sich herab, und Schatten legten sich über den Abgrund. Die Felswand schien vor Tarans Augen zu schwanken. Seine Beine zitterten, als er sich noch einmal zwang, den Hirten aufzunehmen.
»Lasst mich«, murmelte Craddoc heiser, »lasst mich liegen. Ihr vergeudet eure eigene Kraft.«
»Dich liegen lassen?«, versetzte Taran. »Welcher Sohn ließe sein eigenes Fleisch und Blut im Stich?«
Als Craddoc dies hörte, lächelte er einen Augenblick, dann wurde er ernst. »Rettet euch«, flüsterte er.
»Du bist mein Vater«, antwortete Taran. »Ich bleibe.«
»Nein!«, schrie der Hirte mit aller Kraft. »Frag nicht und geh weg von hier. Hör mir jetzt gut zu, oder es ist zu spät. Kindespflicht? Die schuldest du mir nicht. Keine Bande des Blutes verbinden uns.«
»Was sagst du?«, keuchte Taran und starrte auf den Hirten. Ihm wurde schwindlig, und er musste sich am Felsen festkrallen. »Was sagst du? Soll das heißen, ich bin gar nicht dein Sohn?«
Craddoc sah ihn fest an. »Niemals habe ich einen Menschen belogen – außer
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