Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
das die Felswand heruntersickerte. Zahllose Jahre hatten es nicht vermocht, das Becken bis zum Rand zu füllen, doch so seicht es war, glich das Wasser einem unendlichen Kristall, dessen geschliffene Flächen sich überlagerten und Strahlen weißen Lichts in sich aufnahmen. Taran beugte sich tiefer hinab. Er wagte kaum zu atmen, um nicht die leuchtende Spiegelfläche zu trüben. Es war unendlich still, selbst eine herabfallende trockene Moosflocke hätte das Spiegelbild zerstören können. Seine Hände zitterten, als er sein eigenes Gesicht erblickte, gezeichnet von der Reise, verbrannt von der Sonne. Er wollte sich abwenden, doch er zwang sich, tiefer hineinzusehen. Narrten ihn seine eigenen Augen?
Er beugte sich noch tiefer. Was er sah, ließ ihn aufschreien.
Im gleichen Augenblick quiekte Gurgi vor Entsetzen. Taran sprang auf und fuhr herum. Gurgi rannte zu ihm und duckte sich neben ihn. Vor ihnen stand Dorath. Sein Gesicht war von Bartstoppeln bedeckt, die schmutziggelben Haare hingen ihm in die Augen, die Jacke aus Pferdehaut war auf einer Seite aufgerissen, die Stiefel waren dreckverkrustet. In einer Hand hielt er irgendetwas zu essen, das er in den Mund stopfte. Er grinste Taran an. »Ein erfreuliches Zusammentreffen, Fürst Schweinehirt«, sagte er zwischen zwei Bissen.
»Ein unerfreuliches«, rief Taran und zückte das Schwert.
»Willst du deine Schar herbeirufen, damit sie über uns herfällt? Ruf sie doch, alle, die vor uns im Commot Isav geflohen sind!« Er hob die Waffe.
Dorath lachte roh. »Willst du zuschlagen, bevor meine eigene Klinge aus der Scheide ist?«
»Dann zieh sie«, gab Taran zurück.
»Das werde ich auch, wenn ich mit dem Essen fertig bin.« Dorath stieß ein verächtliches Grunzen aus. »Du hast da eine recht plumpe Klinge, Sauhirt, hässlicher als Gloffs Gesicht.« Er grinste hinterhältig. »Ich habe die schönere Waffe, und sie hat mich nichts gekostet. Meine Schar?« fügte er hinzu. »Soll ich sie rufen? Sie sind alle taub. Der Hälfte von ihnen stopft die Erde ihrer Gräber die Ohren. Ich habe dich in Isav gesehen, und ich vermute auch, dass du es warst, der die Bauerntölpel zu Kriegern gemacht hat. Leider hatte ich keine Zeit, dir meine Grüße zu überbringen.« Dorath wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Zwei von denen, die von Isav geflohen sind, haben sich feig aus dem Staub gemacht. Ich habe sie nie mehr gesehen. Zwei waren schwer verwundet. Ich selbst habe ihre Reise zu den Aasvögeln beschleunigt. Sie fallen mir nicht länger zur Last. Macht nichts. Ich werde bald neue Leute um mich sammeln. Vorerst ist es besser so«, fuhr er fort. »So werde ich deinen Schatz nur mit mir selbst zu teilen haben.«
»Schatz?«, schrie Taran. »Es gibt keinen Schatz! Zieh dein Schwert, Dorath, oder ich töte dich waffenlos, so wie du es mit mir auch getan hättest.«
»Schluss mit deinen Lügen, Sauhirt«, knurrte Dorath. »Hältst du mich immer noch für einen Narren? Ich wusste ja, wohin du ziehen wolltest, und die verschlungenen Wege, die dich hierher führten, konnten mich nicht täuschen. Deine Satteltaschen enthalten nichts von Wert. Ich habe es selbst gesehen. Den Preis habe ich also noch zu fordern.«
Er trat auf den Spiegel zu. »Ist das das Versteck? Was hast du gefunden, Sauhirt? Eine Dreckpfütze? Und was liegt hier verborgen?«
Taran schrie auf. Doch bevor er sich auf Dorath stürzen konnte, sprang dieser mit einem Fluch in den Tümpel, dass das Wasser aus dem Becken spritzte.
»Nichts ist drinnen!« Doraths Gesicht war verzerrt vor Wut. Taran stöhnte auf und machte einen unsicheren Schritt vorwärts.
Dorath zog sein Schwert. »Ich bin fertig mit dem Essen, Sauhirt«, schrie er. Dorath führte einen gewaltigen Streich. Und die Wucht seines Angriffs ließ Taran aus der Höhle taumeln. Gurgi kläffte wütend und klammerte sich an den Burschen. Dieser aber packte ihn mit seiner mächtigen Pranke und schleuderte die Kreatur gegen die Felswand. Dann sprang er wutschnaubend auf Taran zu. Dieser hatte sich wieder aufgerafft und hob nun das Schwert, um den Hieb seines Gegners zu parieren. Dorath spie aus und griff erneut an. Taran wurde immer näher an den Abhang zurückgedrängt. Dorath stieß zu. Taran verlor seinen Halt, taumelte zurück und fiel auf die Knie. Höhnisch lachend hob Dorath seine Waffe. Taran sah die Klinge, die einst ihm gehört hatte, über seinem Haupt blitzen. Dann ließ sie Dorath mit aller Kraft niedersausen. Taran riss verzweifelt
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