Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
von Bromm hinten am Harnisch gepackt, in die Luft gehoben und ins nächste Gestrüpp geworfen.
Und es war trotzdem zu spät.
Wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen, flossen die schwarzen Nebelschwaden plötzlich mit erschreckender Schnelligkeit zusammen, verdichteten den Schemen, der in ihrer Mitte entstand. Und dann trat eine hochgewachsene, unmöglich schlaksige Gestalt aus der wallenden Finsternis, mit langen Gliedern und einem seltsam unfertig wirkenden Kopf, aus dem zwei weiße Augen glommen, wie verhangene Sterne aus Inseln aufklarenden Himmels in einer bewölkten Nacht. An den Rändern zerfaserte der Körper in der kühlen Luft des Waldes, und Dunst stieg von der Gestalt auf wie Rauch von einem brennenden Haus.
»Ein Dunkelgeist«, ächzte Auril erschrocken. Bromm grollte unruhig, und Moosbeere verschwand kreischend zwischen den Bäumen.
Der Junge hielt so abrupt inne, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Aber bevor er sich auch nur aus seiner Starre lösen konnte, griff ihn der unheimliche Schemen bereits an. Entsetzt musste Tarean mit ansehen, wie der Arm und die Hand des Dunkelgeists immer länger wurden und seine schattenhaften, spindeldürren Finger nach dem Schwert in seinen Händen griffen. Hatte das weiße Gleißen Esdurials bislang Furcht und Schrecken unter seinen Feinden gesät, schien der Geist regelrecht angezogen zu werden von der Alten Macht, welche die Klinge durchströmte. Zischend vergingen die dunklen Fingerkuppen, verbrannt vom Drachenfeuer Esdurials, doch der Geist zuckte nicht zurück, sondern verstärkte seinen Griff um die runenverzierte Klinge noch, und plötzlich verlor diese an Leuchtkraft, so als habe sie sich in der Dunkelheit ausgezehrt.
Tarean wollte das Schwert zur Seite reißen und davonlaufen, doch so flüchtig der Griff des Schattens auch schien, er bot einen so zähen Widerstand auf, dass ihn der Junge nicht zu brechen vermochte. Der Dunkelgeist streckte auch die zweite Hand aus, diesmal nach dem Jungen, und Tarean spürte, wie sich eine eisige Kälte in seinem Inneren ausbreitete, als habe ihn der Tod selbst mit klammen Klauen berührt. Kraftlos und zitternd stürzte er zu Boden. »Auril, hilf mir«, wollte er rufen, doch die Laute kamen kaum mehr wie ein Hauch über seine Lippen.
Mit langen Schritten stieg der Schatten über ihn hinweg und stakste auf die anderen zu. Wie durch einen Nebelvorhang blickend, nahm der Junge wahr, dass die Wolflinge, vom Erscheinen des Dunkelgeists zu neuem Kampfeswillen angespornt, nun noch wilder und rücksichtsloser auf Auril und Bromm eindrangen, die sich, Rücken an Rücken stehend und jedes Raumes für elegante Manöver beraubt, gegen eine Horde aus sechs Grawls verteidigen mussten. Tarean keuchte gepeinigt auf, als er sah, wie vier Wolflinge gleichzeitig den Bären zu Boden rangen, und als Auril ihrem Freund zu Hilfe eilen wollte, fuhr ihr der Speer eines Wolfskriegers mit solcher Kraft unter dem Schulterblatt in den Rücken, dass die Spitze vorne über der Brust wieder heraustrat. Taumelnd stürzte auch die Albin nieder. »Nein …«, wimmerte der Junge leise.
Auf einmal fiel einer der Grawls einfach um. Die Arme noch zum Schlag erhoben und einen überraschten Ausdruck auf dem wölfischen Gesicht, kippte er nach vorne wie ein nasser Sack. Dann ein zweiter und ein dritter. Der Junge wusste kaum noch, ob er wachte oder träumte, aber aus dem Dickicht des Waldes flogen lange, schlanke Pfeile mit schwarzen Spitzen und bohrten sich durch Rüstungen und haarige Leiber in die Rücken und Flanken der Wolflinge.
Der Dunkelgeist verharrte mitten im Schritt und sah sich suchend um. Da schossen auf einmal von rechts zwei Lichtkugeln aus dem Unterholz und schlugen ihm direkt in die schwarze Brust. Beinahe widerstandslos drangen sie in die schattenhafte Gestalt ein, doch bevor sie auf der Rückseite wieder austreten konnten, explodierten sie mit einem dröhnenden Doppelschlag, und die Druckwelle trieb eine Fontäne aus Licht vor sich her, die den Körper der finsteren Kreatur regelrecht zerfetzte und den schwarzen Nebel weit über den Kampfschauplatz zerstreute. In seinem Rücken hörte Tarean den Grawl-Zauberer erbost krächzen, dann verstummte auch dieser.
Von einem Lidschlag zum nächsten war alles vorbei.
Vor seinen erstaunten, vernebelten Augen lagen die Leichen von zwölf Wolfskriegern und unter ihnen halb begraben die reglosen Leiber seiner Freunde. Fetzen von Nebelschwaden versickerten im feuchten Waldboden wie schwarzes
Weitere Kostenlose Bücher