Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
überbeanspruchter Fasern an seine Ohren. »Wir klettern nach oben, zum letzten Tau«, entschied er. »Dann binden wir uns dort fest und schneiden die Plattform los.«
Haffta grollte eine Zustimmung.
Gemeinsam zogen sie sich an der bedrohlich schwankenden Plattform hoch, und Tarean musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht vor Angst in Starre zu verfallen. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, löste Tarean seinen Gürtel und verknotete ihn mit dem zum Zerreißen straff gespannten Tau. Dann gebot er Haffta, das Gleiche mit ihrem Waffengurt zu tun. Sie klammerten sich mit Armen und Beinen an das Tau und blickten sich an – Mensch und Wolf, unentrinnbar einem gemeinsamen Schicksal ausgeliefert.
»Bist du bereit?«, grollte Haffta.
Der Junge schluckte und nickte knapp.
»Dann halt mich fest.«
Wortlos schlang Tarean einen seiner Arme um Hafftas Schultern und packte sie an ihrem zerschlissenen Lederharnisch.
Vorsichtig ging die Wolflingfrau in die Hocke, setzte die schwarz glänzende Doppelklinge ihres Dolchs an und begann zu sägen. Tarean hielt den Atem an, während er ihr dabei zusah. Faser um Faser peitschte unter den Schnitten der Grawlwaffe auseinander. Plötzlich gab es einen Knall, das Tau ruckte nach oben, und die Plattform stürzte in die Tiefe. Sie prallte gegen die Felswand, überschlug sich mehrfach, die Geländer zerbarsten krachend. In kurzer Zeit schrumpfte ihr hölzernes Transportmittel zu einem kleinen braunen Punkt und verschwand im grauen Dunst am Fuße des Bruchs.
Fluchend rappelte sich Ardo aus den Trümmern der morschen Holzkiste auf, in die ihn die Wucht des Fasses geschleudert hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich die Brust. Dann ließ er die Armbrust fallen, die er immer noch umklammerte, und zog sein Schwert, dessen leicht gebogene Klinge die nondurische Herstellung verriet. »Bromm!«, schrie er, und in seinem einen Auge loderte bernsteinfarbenes Feuer.
In einigen Schritt Entfernung stand der Werbär. Der für Auril gedachte Armbrustbolzen ragte aus seiner linken Hüfte, doch Bromm schien ihn kaum zu bemerken. Stattdessen wirkte sein Blick wie gebannt von dem Schauspiel, das sich in diesem Augenblick an der Felswand abspielte, wo ein Menschenjunge und ein Grawl gemeinsam um ihr Überleben kämpften.
Knurrend wollte Ardo auf den bepelzten Hünen zustürmen, um ihm das Schwert in die Seite zu rammen. Doch plötzlich war auch Auril wieder auf den Beinen und verstellte ihm den Weg. Klirrend schlug sie seine Klinge zur Seite. »Nicht so schnell, Ardo.« Die Flammen im Auge des Luftpiraten wurden mit grünem Feuer im Blick der Albin erwidert.
Ardo lachte unwillig auf. »Du warst schon damals eine Landplage, Auril. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Ständig mischst du dich in Dinge ein, die dich nichts angehen.« Er löste seine Waffe von der ihren und ging in eine rasche Angriffsserie über, die sie mit ihren zwei Klingen aber mühelos parierte.
»Dafür erkenne ich dich nicht wieder, Ardo«, gab sie zurück. »Was ist aus dem Mann geworden, den ich einst bewundert habe? Ein gedungener Mörder.« Sie blockte einen von oben kommenden Schlag mit der linken Waffe ab, und Ardo sah sich gezwungen, den Bauch einzuziehen, um dem waagerecht geführten Gegenschlag von Aurils rechtem Schwert zu entgehen. Mit einem Sprung ging er hinter dem Mastbaum in Deckung.
Der Luftpirat tänzelte ausweichend hin und her, um der Albin keine Möglichkeit zu einem direkten Angriff zu geben. »Das Leben war nicht einfach in den Jahren, seit du uns verlassen hast«, bemerkte er mit bitterer Miene. Er zog einem seiner verdutzt dreinblickenden Männer einen Säbel aus dem Gürtel und schlug beide Waffen herausfordernd zusammen, bevor er erneut in Kampfstellung ging. »Nicht jeder von uns ist das Liebchen eines Hochkönigs.«
»Was soll das heißen?«, versetzte Auril scharf und nahm die Herausforderung sofort und mit ungestümer Wucht an. Diesmal war sie es, die Ardo vor sich her über das Deck des Luftschiffes trieb.
»Komm schon, Auril!«, schrie Ardo. »Glaubst du, wir haben die Geschichten hier unten nicht gehört? Von Jeorhels Krieg gegen Calvas, und dass eine Albin und ein Werbär einen menschlichen Jungen nach At Arthanoc gebracht haben?« Er setzte ein spöttisches Grinsen auf. »Ich war neugierig darauf, den Knaben kennenzulernen, der geglaubt hat, den Hexer besiegen zu können. Er ist nicht so eindrucksvoll, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ohne sein magisches Schwert
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