Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
aneinandergepressten Leibern sprang der silberweiße Funke der Alten Macht auf die blanke Schneide der Waffe über, und kaltes Feuer leckte zur Spitze empor. Dann erwachte das Schwert mit einem dumpfen Schlag zu fauchendem Leben, und eine Springflut gleißenden Lichts spülte über Iegi und Raisil hinweg.
Calvas kreischte auf! Mit übermenschlicher Kraft riss er sich von Iegi los und stolperte blindlings rückwärts. Dabei trat Raisils Fuß in eine Lücke zwischen zwei der Holzbalken, und ihr Körper fiel zur Seite.
»Nein!«, schrie Iegi und machte einen Satz nach vorne, um sie festzuhalten. Doch er war zu langsam.
Raisil verlor das Gleichgewicht, stieß einen erschrockenen Schrei aus und stürzte mit rudernden Armen ins Leere. Der Fall währte nur kurz, doch der Aufprall auf dem harten Fels direkt an der Kante des Bruchs erfolgte mit unerbittlicher Härte.
Mit einem raschen Flügelschlag sprang der Taijirinprinz an Raisils Seite, das gleißende Schwert noch immer in der Hand. »Raisil! Bei den Lichtgefiederten …«
Im gleichen Moment löste sich eine schwarze Wolke aus dem Leib von Iegis Nistschwester, der Schemen einer menschengroßen, in einen Mantel aus Rauch gehüllten Gestalt. »Unseliger!«, hauchte das verzerrte Gesicht des Hexenmeisters aus dem Dunst mit einer Stimme, die wie das ferne Echo eines Albtraums klang, aus dem man soeben erwacht war. Dann floh die düstere Erscheinung schnell wie der Wind über den Fels hinweg in Richtung Steilklipp.
Das violette Feuer in Raisils Blick erlosch und brachte ihre eigenen, dunklen Augen zum Vorschein. »Iegi …?«, flüsterte das Mädchen schwach. »Was? … Wo?«
»Still.« Der Vogelmensch nahm sie sanft in die Arme. Er konnte spüren, wie warmes Blut aus dem Hinterkopf Raisils über seine Hände floss, viel zu viel warmes Blut. »Es wird alles gut, Raisil, hörst du?«, versprach er seiner Nistschwester und wunderte sich, wie dünn seine eigene Stimme plötzlich klang. »Alles wird gut.« Ihm war völlig klar, wie leer dieses Versprechen war, doch was hätte er sonst sagen sollen?
»Iegi …«, murmelte Raisil, kuschelte sich an ihn und schloss die Augen.
»Das ist noch nicht vorbei zwischen uns!«, knurrte Ardo, während er und seine ihm verbliebenen Getreuen schwer angeschlagen von Bord ihres Luftschiffes humpelten und auf den altersschwachen Kahn übersetzten, mit dem Auril von der Tiefebene aufgestiegen war. Entgegen ihrer Drohung war Auril keine kaltblütige Mörderin, und so hatten Bromm und sie den besiegten Luftpiraten gestattet, sich mit eingeklemmtem Schwanz davonzuschleichen.
»Oh doch, Ardo. Es ist vorbei«, erwiderte die Albin kühl. »Und zwar schon seit Langem.« Sie nickte ihrem hünenhaften Begleiter zu. Mit einem kräftigen Ruck löste Bromm die beiden verkeilten Masten und versetzte dem anderen Flugschiff einen Stoß. Träge trieben die beiden Gefährte in der Luft auseinander. »Und nun verschwinde und behellige uns niemals wieder.«
Der einäugige Alb presste die Lippen zusammen und warf ihr einen wütenden Blick zu, doch er gab seinen Männern mit einer Geste zu verstehen, dem Befehl Folge zu leisten. Langsam driftete der Kahn der Ebene von Nondur entgegen.
In diesem Augenblick war das Rauschen von ausgebreiteten Flügeln zu vernehmen, und Iegi landete im Heck des Schiffes. Er hielt den schlaffen Körper eines Taijirinmädchens in den Armen, und sein Gesicht war tränenüberströmt. Vorsichtig legte er den Körper auf das Deck, dann brach er daneben zusammen. Sein Harnisch war blutgetränkt.
Auril zuckte zusammen. Ein Vogelmensch im eigenen Blute … Es war nicht sein eigenes, es war das seiner Gefährtin. Sofort war die Albin an Iegis Seite und ging neben ihm in die Knie. In dem unbeholfenen Versuch, den Vogelmenschen zu trösten, legte sie eine Hand auf seine Schulter. »Iegi, was ist geschehen?«
Der Taijirinprinz hob den Kopf. Seine Augen waren gerötet. »Es war Calvas. Der Schatten des Hexenmeisters hat meine Nistschwester Raisil geraubt.«
»Ich weiß«, sagte die Albin leise. »Tarean erzählte uns, was euch unter den Ruinen von At Arthanoc widerfahren ist.«
»Und jetzt hat er sie umgebracht.« Iegi schniefte. »Er hat ihren Körper fallen gelassen wie ein abgelegtes Kleidungsstück.« Er brach ab und schien nur mit Mühe weitere Tränen zurückhalten zu können.
Voller Mitgefühl umarmte die Albin den Freund und hielt ihn für einige Augenblicke stumm fest. Verflucht sei das Wasser des Sehens. Ich wusste, dass
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