Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Esdurial um seine Hüfte, rollte Wilferts Schwert und den Drachenstab in seine Wolldecke ein und hängte sie sich über die Schulter, und schließlich streifte er die Reisetasche über, in welcher er den Wegfinder und Kesrondaias Herz aufbewahrte. Für einen Augenblick erwog er, ob er Kinrain zurücklassen sollte – ein übel gelaunter Teil von ihm wollte keine Geschenke des Taijirinprinzen mit sich nehmen –, doch die Vernunft siegte, und er steckte das Heilamulett zurück unter seinen Lederharnisch.
Dann verließ er auf Zehenspitzen das Lager. Das Flugschiff konnte er leider nicht benutzen, denn zum einen kannte er sich mit der Steuerung des Gefährts nach wie vor nicht gut genug aus, zum anderen schliefen Iegi und Auril darauf. Also war er zumindest bis Durai auf seine eigenen Füße angewiesen. Aber mit den knapp eineinhalb Stunden Vorsprung, die er bekommen sollte, bevor die anderen erwachten, sollte es ihm möglich sein, sich der Stadt so weit zu nähern, dass sie ihn nicht mehr einholen konnten – wenn sie das überhaupt wollten. Vielleicht sind sie ja ganz froh, mich los zu sein, dachte er grimmig. Ich jedenfalls bin froh, endlich wieder nur mir selbst gegenüber verantwortlich zu sein. Ich wollte ohnehin von Anfang an, dass Iegi in Airianis bleibt. Die Begegnung mit Haffta hat mir auch nur Schwierigkeiten eingebracht. Und Bromm und Auril hätten Cayvallon besser niemals verlassen. Dann könnte ich mir zumindest einreden, dass Auril noch irgendetwas für mich empfindet.
Unter diesen düsteren Gedanken marschierte der Junge durch die Steppe auf die Stadt der Nondurier zu, die sich vor ihm im Dunst des anbrechenden Tages abzeichnete. Um ihn herum erstreckte sich in allen vier Himmelsrichtungen die weite Steppe Nondurs, Meilen um Meilen nichts als flaches Land, nur gelegentlich durchbrochen von einer Hügelgruppe oder einem Hain niedriger Bäume mit graubrauner, borkiger Rinde und ausladenden Ästen, an denen kleine, dunkelgrüne Blätter und gelegentlich auch pflaumenartige Früchte hingen. Zikaden zirpten im hohen, braunen Gras, und einmal sah Tarean in der Ferne eine Herde graziler Vierbeiner, die ihn an die Braunfelks seiner Heimat erinnerten, um einen Tümpel stehen, an dem sie ihren Durst stillten. Ansonsten waren weder Tier noch Mensch an diesem frühen Morgen unterwegs. Es lag eine Einsamkeit über der Steppe, die gut zu Tareans Stimmung passte.
Er war noch keine Stunde unterwegs, und vor ihm lösten die ersten Felder der Bauern, die rund um Durai lebten, die Eintönigkeit des bisherigen Grasmeeres ab, als auf einmal ein winziger strahlender Lichtball an seiner Seite auftauchte.
»Moosbeere, was machst du denn hier, so weit vom Lager entfernt?«, rief Tarean überrascht.
»Nein, ich habe zuerst gefragt!«, piepste das Irrlicht ohne ein vorheriges Wort der Begrüßung.
»Was gefragt?«
»Was du hier machst.« Seine handtellergroße Gefährtin blieb vor ihm in der Luft hängen und stemmte die winzigen Fäuste in die Hüfte.
»Hast du nicht«, stellte der Junge klar.
»Sag es mir trotzdem!«, beharrte das Irrlicht.
Tarean blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich gehe die Kristalldrachen retten.« Er blickte Moosbeere forschend an. »Hast du etwas dagegen?«
»Nein«, zwitscherte diese, »nicht, so lange du mich mitnimmst.«
»Ich gehe alleine«, erklärte Tarean mit fester Stimme.
»Und wieso?«, verlangte das Irrlicht zu wissen.
Der Junge zuckte in einer Art Trotzgeste mit den Schultern. »Weil … weil es besser so ist. In allen großen Liedern sind die Helden allein.«
»Allein?« Moosbeere bedachte ihn mit einem prüfenden Blick. Dann schien seiner machterfüllten Gefährtin ein Licht aufzugehen, denn ihre Aura glühte für einen Moment hell auf, bevor sie heranhuschte und Tarean einen Nasenstüber verpasste. »Dummkopf!«, schalt sie ihn.
»Aua. Was soll das?« Tarean rieb sich die Nasenspitze.
»Du läufst weg, weil du beleidigt bist«, erklärte das Irrlicht rundheraus. »Du denkst, deine Freunde hätten sich von dir abgewandt, nur weil sie nicht ständig an deiner Seite schweben.« Zur Bekräftigung ihrer Worte umkreiste Moosbeere Tarean zweimal. »Dabei denken sie sogar viel mehr an dich, als du glaubst. Ich weiß das, ich habe sie reden hören. Doch sie haben auch eigene Sorgen. Sie brauchen dein Verständnis und deine Stärke – nicht einen Jungen, der sich in Selbstmitleid hüllt wie in einen bequemen Mantel und dann das Weite sucht.«
»Ich bin auch nur
Weitere Kostenlose Bücher