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Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Titel: Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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getraut hatten. Und wenn man derlei Erfahrung nicht gewöhnt war, mochte mit der Erkenntnis der eigenen Lage allzu leicht der Schwindel über den eigenen Wagemut einhergehen – und mit dem Schwindel kamen die Zweifel und mit den Zweifeln der Absturz.
    Stattdessen hielt Tarean die Felskante über seinem Kopf fest im Blick. Nur noch wenige Schritt, dann hatte er den Gipfel – und damit sein Ziel – erreicht. Nicht ganz auf die Art und Weise, wie ich es mir vorgestellt habe, aber wann gelingt einem das schon.
    Etwas oberhalb und zur Linken erspähte er einen engen Spalt. Den Körper an den kalten Fels gepresst und mit den Füßen auf einem viel zu schmalen Sims balancierend, schob Tarean seine linke Hand vor und versenkte drei Finger in die Wand. Die Rechte schloss er um einen Felsvorsprung direkt daneben, dann zog er sich daran empor und drückte seine Stiefelspitzen in zwei einladend tiefe Mulden. Sein Herz machte einen Satz, und seine Muskeln verkrampften sich, als sein linker Fuß dabei abrutschte und Kiesel und feinen Steinstaub in die Tiefe schickte. Doch sein Halt war sicher genug, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Es ist wie damals im Thronsaal des Hexers, fuhr es ihm durch den Sinn. Auch dort hatte er feststellen müssen, dass der Weg, den er voll einfältigem Ungestüm eingeschlagen hatte, im Grunde falsch und viel zu gefährlich gewesen war. Ohne seine Freunde wäre er gescheitert.
    Es dauerte einen Augenblick, bis er sich von dem Schreck erholt hatte, und die letzten Schritt legte er mit solcher Vorsicht zurück, dass sich die im Grunde überschaubare Strecke fast quälend in die Länge zog. Schließlich jedoch hatte er den oberen Rand der Bergwand erreicht. Seine Hand tastete über den Fels, fand außerhalb seines Sichtfeldes einen kleinen Vorsprung und klammerte sich daran fest. Ächzend zog er sich nach oben und über die Kante. Er hatte es so gut wie geschafft! Auf dem Bauch liegend, schob er den rechten Arm vor, um seine Finger in einer flachen Bodenwelle zu vergraben und sich dann vollends auf das Gipfelplateau hinaufzuziehen. Da tauchte wie aus dem Nichts eine Hand auf und schloss sich kraftvoll um seinen Unterarm.
    Tarean hob überrascht den Kopf.
    Vor ihm auf dem Gipfel hockte Iegi. Der Vogelmensch hatte die ausladenden braunen Flügel mit den weißen Sprenkeln halb gespreizt und stützte sich mit beiden Füßen und der Linken am Boden ab, um sicheren Halt zu haben – nicht, dass ihm, ganz im Gegensatz zu Tarean, irgendetwas zugestoßen wäre, wenn er über den Rand gekippt und in den Abgrund gestürzt wäre. »Komm, ich helfe dir«, sagte der Prinz von Airianis und lächelte aufmunternd.
    Tarean schloss die Hand um den Unterarm seines Freundes und ließ sich von ihm auf die Ebene ziehen. »Was führt dich denn hierher?«, fragte er, während er sich aufrichtete und den grauen Steinstaub von den Beinkleidern klopfte.
    »Du warst so seltsam in den letzten Tagen«, erwiderte Iegi. »Gedankenverloren, möchte ich sagen. Und als ich heute Morgen zufällig sah, wie du einen Greifen bestiegst und davongeritten bist, habe ich mich gefragt, ob es wohl in deiner Absicht liegen könnte, Airianis den Rücken zu kehren, ohne Lebewohl zu sagen.«
    Tarean lächelte schwach. »Das würde ich doch niemals wagen, das weißt du.« Er wandte den Blick von seinem geflügelten Freund ab und ließ ihn über das weite, erhabene Gebirge schweifen. »Nein, ich brauchte nur etwas Zeit, um mich der Vergangenheit zu erinnern und daraus möglicherweise Schlüsse für meine Zukunft ziehen zu können.« Sie entfernten sich ein paar Schritte von der Kante und ließen sich dann auf einer kleinen Grasinsel, auf der eine einsame Wildblume mit herzförmigen weißen Blättern wuchs, nieder. »Ich kann nicht ewig bei euch bleiben, Iegi«, fuhr Tarean fort, »so verführerisch dieser Gedanke erscheinen mag. Ich muss meinen Weg in der Welt der Menschen finden.«
    »Das verstehe ich«, erwiderte Iegi. »Und bist du zu einem Entschluss gekommen, was du zu tun gedenkst?«
    Tarean seufzte, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Handflächen. »Nein«, gestand er. »Früher schien alles so einfach. Mein Weg in der Vergangenheit war klar. Doch meine Zukunft ist wie ein Pfad im Nebel. Ich schreite nur zögerlich voran und vermag mein Ziel im Dunst der Möglichkeiten nicht zu sehen.«
    »Du willst also nach wie vor nicht ins Almental zurückkehren?«
    Der Junge horchte einen Moment in sich hinein. »Nein, ich

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