Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
zwischen den Toten, liegt.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was die Wolflinge haben könnten, das mir wert wäre, diese stinkenden Leichen dort unten zu fleddern«, erklärte Tarean bestimmt.
Iegi zuckte mit den Schultern. »Also schön. Bleib du hier bei den Pferden. Ich bin gleich wieder da.« Er löste seinen Kampfstab vom Sattel seines Reittiers und machte sich vorsichtig an den Abstieg.
Tarean verfluchte innerlich die unablässige Neugierde des Taijirinprinzen, dann stieg auch er ab. »Warte, Iegi, ich komme.« Er rutschte hinter seinem Freund den Abhang hinab. »Wir sollten besser zusammenbleiben«, erklärte er, als er ihn eingeholt hatte. »Vielleicht lauern noch mehr dieser Bestien in der Nähe.«
Diese Sorge allerdings schien sich als unbegründet zu erweisen. Nichts regte sich, als sie sich den Toten näherten. Entweder hatten sich mögliche Überlebende in der Zwischenzeit zurückgezogen, um ihre Wunden zu lecken – oder die Wolflinge hatten sich gegenseitig bis auf den letzten Mann ausgelöscht. Erschüttert blieb Tarean am Rand des Kampfschauplatzes stehen und ließ den Blick darüber schweifen, während Iegi zwischen den Leichen umherstakste und nach einem möglichen Grund für dieses Blutbad suchte.
In der Reisetasche des Jungen regte sich Moosbeere. »Igitt«, beschwerte sich das Irrlicht, noch bevor es überhaupt aus der Tasche gekrabbelt war, in der es – mal wieder – geschlafen hatte. »Was ist das für ein Gestank? Man könnte meinen, Bromm hätte Verdauungsstörungen!« Das winzige Geschöpf lugte über den Stoffrand, erkannte, wo sie sich befanden, und schwang sich in die Luft. »Da schau her«, piepste sie. »Die hässlichen Wölfe sind in Streit geraten. Was für eine Sauerei.«
»Moosbeere!« Tarean warf seiner Gefährtin einen tadelnden Blick zu.
»Tarean, komm mal her!«, rief Iegi in diesem Moment und winkte den Freund zu sich.
»Was ist los?«
»Hier lebt noch jemand.« Der junge Taijirin deutete auf einen Wolfling zu seinen Füßen, der blutüberströmt an einen größeren Findling gelehnt dalag. »Es geht ihm nicht sonderlich gut, aber er atmet.«
Tarean verzog das Gesicht. Dreigötter. Auch das noch. Wie von selbst schloss sich seine Rechte um den Griff von Esdurial, und das Schwert glitt aus seiner Scheide, als der Junge näher trat.
»He, warte mal. Das ist gar nicht sein eigenes Blut, sondern …« Iegi, der sich mit prüfendem Blick vorgebeugt hatte, wollte soeben alarmiert zurückweichen, als plötzlich Leben in den vermeintlich Schwerverletzten kam. Ein haariger Arm zuckte vor und eine Klauenhand legte sich mit unmenschlicher Kraft um den Unterarm des Vogelmenschen. Mit einem Ruck hatte der Wolfling Iegi zu sich heruntergezogen, und wie aus dem Nichts tauchte in seiner anderen Hand ein kurzer Dolch mit zweigeteilter, gefährlich glitzernder Klinge auf, die der Grawl dem Taijirinprinzen an die Kehle setzte.
»Keinen Schritt näher«, grollte er in überraschend passabler Gemeinsprache und richtete seine kleinen Augen auf Tarean, der, Esdurial in der Hand, noch vielleicht zwei Manneslängen entfernt war. Verwirrt bemerkte der Junge, dass die Augen des Grawls nicht gelblich waren, wie er es kannte, sondern eisblau wie der Himmel an einem klaren Wintertag.
Iegi fluchte unterdrückt und wand sich im Griff des Wolflings, doch der presste nur die Spitze seiner Waffe in den Flaum am Hals des Taijirin. »Ich meine es ernst«, knurrte der Grawl.
»Tarean!« Moosbeere schlug die winzigen Hände vor den Mund.
Der Junge blieb wie angewurzelt stehen. Von einem Moment zum anderen begann sein Herz zu hämmern, als wolle es ihm aus der Brust springen, und er spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. »Ganz ruhig«, sagte er und meinte damit nicht nur sein Gegenüber, sondern auch sich selbst.
»Steck dein Schwert weg«, forderte der Wolfling.
Iegi blickte ihn unglücklich an.
Tarean gehorchte mit zusammengepressten Lippen.
»Nimm den Waffengurt ab.«
Wo soll das hinführen? Der Junge musterte den Grawl angespannt. Er wirkte zu allem entschlossen, ein in die Ecke gedrängtes, wildes Tier. Und doch … irgendetwas stimmte nicht mit seinen Augen – und es war nicht allein die Farbe.
»Willst du, dass dein Freund stirbt?«, bellte der Wolfling, als Tarean zu lange zögerte.
»Nein. Warte.« Der Junge öffnete seinen Gürtel und ließ ihn mit Esdurial zu Boden gleiten.
»Und jetzt«, der Grawl bleckte die Zähne, »schieb das Schwert zu mir herüber.«
»Nein«,
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