Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
riefen Iegi und Moosbeere beinahe gleichzeitig.
Irgendetwas ist in seinen Augen, dachte Tarean. Es lag ein Ausdruck darin, der nicht zur drohenden Körperhaltung des Wolflings passte. Der Junge hielt angespannt die Luft an. Es war beinahe so etwas wie ein Flehen, das in diesen eisblauen Augen glänzte. Hör nicht auf mich, schienen diese Augen zu sagen, während das Maul des Wolfs gleichzeitig drohte: »Los, oder das Geflügel ist einen Kopf kürzer.«
Und auf einmal erinnerte sich Tarean an eine Unterweisung Ilrods, der seinen Schülern von der Aufzucht junger Hunde erzählt hatte. Hunde, hatte er erklärt, brauchen eine starke Hand. Sie mögen sich wild gebärden und laut bellen, aber im Grunde ihres Herzens wollen sie sich unterwerfen. Darum dürft ihr einem Hund gegenüber niemals zaghaft sein. Er muss erkennen können, dass ihr der Herr seid.
Langsam beugte sich Tarean hinab und ergriff den abgelegten Waffengurt.
»He!«, grollte der Wolfling.
»Was tust du?«, ächzte Iegi.
»Ich lasse nicht zu«, sagte der Junge langsam und mit fester Stimme, »dass es so endet.« Er blickte dem Grawl so fest in die Augen, wie er konnte, während er gleichzeitig betont gelassen Esdurial aus der Scheide zog. »Hörst du mich, Wolfling?«
»Du spielst mit dem Leben deines Freundes, Nackthaut«, knurrte sein Gegner, doch er verstärkte den Druck auf Iegis Hals nicht.
»Nein. Du spielst mit dem deinen! Denn weißt du nicht, wer ich bin?« Er richtete sich auf, hob herausfordernd das Kinn und hielt das machterfüllte Schwert in die Höhe, sodass sich die Sonnenstrahlen auf der blanken Klinge spiegelten und die Runen zum Glitzern brachten. Dann rief er mit lauter Stimme: »Ich bin Tarean, der Sohn von Anreon von Agialon, Träger von Esdurial, Bezwinger des Grimmwolfs und Sieger der Schlacht um At Arthanoc!«
Der Wolfling riss die Augen auf, und sein Blick huschte von Tareans Gesicht zu seinem Schwert. »Du bist das Flammenschwert«, flüsterte er ungläubig.
»Ganz recht«, erwiderte Tarean und versuchte dabei, seine eigene Überraschung zu verbergen. Er hätte nicht gedacht, dass seine Taten bereits unter den Wolflingen die Runde gemacht hatten. »Und wer bist du, Wolfling?«, fuhr er, um die Gunst des Augenblicks zu nutzen, rasch fort. »Wer bist du, dass du es wagst, meinen Gefährten anzugreifen? Du bist allein, liegst hier inmitten von Toten und bist selbst dem Untergang geweiht. Also mach dein Schicksal nicht noch schlimmer, als es schon ist! Lass meinen Gefährten frei, und vielleicht lasse ich Milde walten.« Er richtete die Schwertspitze auf die haarige Brust des Wolfsmenschen. Die silberne Klinge glänzte im Licht der Mittagssonne.
Der Grawl starrte Tarean für einige Herzschläge stumm an, und der Junge spürte, dass seine Hand zittrig wurde. Was, wenn er sich getäuscht hatte? Er packte den Griff seines Schwertes fester, um seine Unsicherheit zu vertuschen.
Und dann ließ der Wolfling den Dolch sinken und gab Iegi frei.
Rasch rollte der Vogelmensch zur Seite, ergriff seinen Kampfstab und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sich und seinen Peiniger. »Den Lichtgefiederten sei Dank.«
»Danke nicht deinen Göttern«, fauchte der Wolfling. »Danke dem Flammenschwert.« Dann richtete er seinen Blick erneut auf Tarean. »Und nun? Mein Leben ist in deiner Hand. Wenn du mich töten willst, so tu es gleich.«
Tareans Kiefer mahlten. Es war ein verführerischer Gedanke, den Wolfling umzubringen und dann die Reise fortzusetzen, als sei nichts geschehen. Ein Schritt nach vorne, ein Stich in die Brust, und es war vorbei. Aber ich bin kein Mörder. Ich war es nie. Nur das eine Mal, als ich Rache an Calvas üben wollte – für meinen Vater und für Moosbeere. Und sogar darin bin ich letztlich gescheitert. Ohne seine Augen von dem am Boden sitzenden Grawl zu nehmen, senkte der Junge das Schwert. »Nein«, sagte er. »Ich habe dir Milde angeboten, und du sollst sie bekommen. Steh auf.«
Der Wolfskrieger kam der Aufforderung nach, und es zeigte sich, dass er wirklich nur leicht verletzt war. Das meiste Blut, das seinen Leib bedeckte, schien von seiner Rotte oder seinen Feinden zu stammen.
»Und jetzt verschwinde von hier«, gebot ihm Tarean. »Du hast das Leben meines Freundes verschont, nun verschone ich deins.«
»Das ist ein Fehler, Tarean«, warf Iegi ein. »Nichts ist schlimmer, als einen Feind im Nacken zu haben, der dir die Kehle aufschlitzen kann, sobald du schläfst.«
Der Grawl warf dem Taijirin einen
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