Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Licht und alles Leben verschlingt. Ich spüre es genau. Lass nicht zu, dass er mich berührt, Tarean.«
»Nur über meine Leiche«, versprach der Junge ihr, auch wenn er aus eigener, schmerzhafter Erfahrung wusste, dass es nicht viel bedurfte, um bei der Begegnung mit einem Dunkelgeist beinahe das eigene Leben zu verlieren.
»Nun, das war kurzweilig«, verkündete Questoi in diesem Moment. »Besäße ich ein Wohnzimmer, in dem ich des Nachmittags Tee trinken würde, ich würde dich gelegentlich einladen. Du kannst gehen, Shadenari. Verschwinde und behellige uns nicht weiter.« Er senkte den Stab und drehte sich um.
»Was?«, schrien Tarean, Iegi und Moosbeere wie aus einem Munde.
»Das könnt Ihr nicht machen«, fügte Janosthin fassungslos hinzu.
»Kann ich nicht?«, wiederholte der Chronist verblüfft. »Seltsam, mir war so, als hätte ich eben …«
Mit flatternden Rockschößen und schier übermenschlicher Schnelligkeit wirbelte er herum, stieß seinen Stab in den Schattenleib des Dunkelgeists, sprach ein Wort der Macht, und der Kopf des Stabes explodierte in einem regenbogenbunten Lichtblitz. Der dunstige Körper des Geschöpfes, das gierig auf sie zu geglitten war, kaum dass Questoi ihm den Rücken gekehrt hatte, wurde buchstäblich in Tausende winziger schwarzer Nebelfetzen zerrissen. Lautlos spritzten sie an die Baumstämme und auf die Erde vor den Füßen der Gefährten und versickerten dort.
Das Ganze geschah so unvermittelt, dass keiner von ihnen auch nur einen Laut der Überraschung zustande brachte.
»… gesagt, dass du uns nicht weiter behelligen sollst«, beendete Questoi seinen Satz in einem Tonfall, als schelte er ein kleines Kind, das gegen alle Verbote in den Marmeladentopf auf der Küchenanrichte gegriffen hatte. Der Chronist klopfte sich das graugrüne Gewand ab, wie ein Mann, der aus dem Regen eine Schänke betritt. »Nun, das war unerfreulich. Dumme, einfältige Kreatur.«
»Was hat Euch der Dunkelgeist verraten?«, wollte Iegi wissen.
Der Gelehrte rückte seinen Hut zurecht, der durch die rasche Bewegung verrutscht war. »Er kam aus Gongathar, ein Wesen namens Bromm hat ihn geschickt, und er sollte Euch töten, denn dieser Bromm – wer immer das ist – scheint die Ansicht zu vertreten, Ihr wärt eine Gefahr für die Meister, wie er sie nennt. Und er weiß zwar nicht, wo Ihr seid, aber er lässt die Shadenari überall nach Euch suchen. Zu Eurem Glück, möchte ich sagen, scheint er über nicht besonders viele zu gebieten, darum zieht sich die Suche ziemlich hin.«
»Erdendonner«, fluchte Janosthin. »Ich wusste doch, dass Gongathar die Dunkelgeister schickt. Und sie sitzen uns im Nacken.«
Tarean spürte, wie ihm bei den Worten Questois die Eingeweide gefroren. Es gibt also wirklich einen dunklen Zwilling von Bromm. Und das Blut des Grimmwolfs brennt in seinen Adern. Dreigötter, was haben wir getan, als wir diesen verfluchten Turm betraten …
Tarean , erscholl auf einmal die Stimme des Chronisten im Kopf des Jungen.
Dieser zuckte zusammen, fragte dann aber: Ja?
Es war nicht eure Schuld. Gongathar musste erwachen. Ihr wart nur ein Tropfen …
Tarean blickte auf und sah, dass ihm Questoi aufmunternd zunickte. Dann klopfte der Chronist mit seinem Stab auf den Fels. »So, meine Freunde. Es ist schon spät. Ich spüre die kühlenden Strahlen des Mondes auf meinem Gesicht, und wenn ich meine eigene Hochzeitsnacht nicht verpassen möchte, sollte ich mich wohl wieder auf den Weg machen. Also gehabt Euch wohl, allesamt, vor allem Ihr, Halfbadur. Trinkt nicht so viel, das bekommt Eurer Leber nicht.« Er lächelte ihnen zu, grüßte mit seinem Wanderstab und wandte sich ab, um im Stockfinsteren den Bachlauf hochzuspazieren. Loxli gab ein japsendes Geräusch von sich und trabte seinem Herrn mit wehendem Federbusch nach.
»Questoi, wartet!«, rief Tarean und stolperte dem Chronisten hinterher. »Wir haben noch gar nicht über den Grund unseres Hierseins gesprochen und weshalb wir Euch gerufen haben.«
Der Angesprochene drehte sich um und legte den Kopf schief. »Haben wir nicht?« Er klopfte sich mit dem angewinkelten Stabende nachdenklich gegen das Kinn. »Dann muss ich diesen Teil des Gesprächs im Geiste übersprungen haben. Verzeiht mir, das passiert ab und zu, wenn ich in Eile bin. In Ordnung, komm her, mein Junge.« Er winkte Tarean zu sich.
Als dieser ihn erreicht hatte, legte ihm Questoi in einer verschwörerischen Geste den Arm um die Schulter und raunte: »Ihr müsst die
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