Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
er die abgeschnittenen Haare und die abgelegten Kleider, warf sie auf einen Haufen und zündete sie an. Der Geruch, den das verbrannte Haar verbreitete, ließ Auril die Nase rümpfen, doch Hattson stand reglos wie eine Statue vor dem Feuer und sah zu, wie die letzten Jahre seines Lebens eingeäschert wurden.
Zuletzt wickelte er das lange, verschnürte Etwas, das er schon bei ihrer ersten Begegnung auf dem Rücken getragen hatte, aus und enthüllte ein eindrucksvolles Langschwert, das in einer schwarzen Scheide mit Silberbeschlägen steckte.
In Zaeenas Augen trat ein ehrfürchtiges Leuchten. »Orialc! Ihr habt es noch immer.«
»Ja«, erwiderte der Ritter. »Ich verhüllte die Klinge, als ich vom Kristalldrachenritter zum Clansmann wurde, aber ich habe das Schwert niemals abgelegt.« Mit einer weit ausholenden Geste zog Hattson das Langschwert hervor und rief den Namen der Waffe. Ein bläulicher Schimmer glitt über die blank polierte, silberne Schneide, und mit einem Mal wurden die Linien von Runen sichtbar, die so fein in das Metall eingraviert worden waren, dass Auril sie aus der Ferne nicht bemerkt hatte. Heller und immer heller glühten die Runen auf, bis sich ein kunstvoll geschwungener Schriftzug, blau leuchtend wie geschmolzener Edelstein, vom Heft bis zur Spitze zog.
Hattson hob das Schwert in die Luft und rief einen lauten Satz in die Hochebene von Rûn hinab, die sich zu ihren Füßen erstreckte.
»Was sagt er?«, fragte Auril, die mittlerweile aufgestanden und neben ihre Mutter getreten war. Bromm und Haffta beobachteten das Geschehen aus einigen Schritten Abstand.
»Er verabschiedet sich von Rûnland und schwört, erst dann zurückzukehren, wenn die Welt wieder ein sicherer Ort ist.« Zaeena bedachte Hattson mit einem milden Lächeln. »Er war schon immer so herrlich theatralisch.«
Hattson schob Orialc in die Scheide zurück, schlang sich die Waffe mit einem Gurt über die Schulter und stapfte ihnen entgegen. »Und Ihr wart schon immer unerträglich abgebrüht, Zaeena«, erklärte er, aber in seinen Augen funkelte milde Belustigung. »Ziehen wir endlich los, bevor ich es mir noch anders überlege.«
Vier Tage lang wanderten sie durch die Wolkenberge, jenes majestätische Gebirge im Norden von Endar, das seinen Namen einerseits dem ungewöhnlich hellen Stein seiner Felsmassive verdankte, andererseits dem Umstand, dass seine Niederungen einen Großteil des Jahres von einem dichten Wolkenmeer ausgefüllt waren. In den Sommermonden löste sich der weiße Dunst zumeist am späten Vormittag auf, sodass die Gefährten zumindest einige Stunden Sonnenschein erlebten, während sie unter der Führung Hattsons den Talsohlen folgend tiefer ins Gebirge vordrangen.
Auril bemerkte in diesen Tagen, dass ihre Mutter ihr aus dem Weg ging. Stattdessen suchte Zaeena die Gesellschaft ihres alten Kampfgefährten, tauschte sich mit ihm über die vergangenen Jahre aus oder schwelgte in alten Erinnerungen ihrer gemeinsamen Zeit im Orden. Sie wirkte in der Gegenwart des grauhaarigen Ritters weniger grimmig, und einmal lachten die beiden so laut auf, dass Auril, die ihr Pferd gerade am Zügel führte und sich auf den steinigen Weg vor ihren Füßen konzentriert hatte, überrascht aufschaute. Ohne es zu wollen, verspürte sie einen leichten Neid.
»Eine Silbermünze für deine Gedanken«, brummte Bromm, der gemächlich neben ihr herwanderte.
Auril schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Ich habe mich gefragt, warum meine Mutter auf einmal diejenige ist, die ihren Spaß hat, während ich mit finsterem Gesicht dahinmarschiere. Ich dachte immer, ich wäre die leichtlebige Schurkin von uns beiden und sie die pflichtbesessene Kriegerin.«
»Meiner Meinung nach liegt sowohl das eine als auch das andere in beiden von euch verborgen. Es kommt nur auf die Umstände an, ob die Schurkin oder die Kriegerin das Sagen hat.«
»Sehr weise, mein Freund«, bemerkte Auril.
»Ich bin nur ein guter Beobachter«, erwiderte Bromm.
»Ob auch wir in zwanzig oder dreißig Jahren so sein werden? Gestandene Krieger, die von alten Zeiten träumen?«
Der Bär lachte grollend. »Ich glaube eher, dass du mich immer noch durch enge, staubige Gassen zerren wirst, auf der Flucht vor irgendwelchen Stadtbewohnern, mit denen wir zuvor in Streit geraten sind. Und ich werde jammern, dass ich zu alt für diesen Mist bin – wenn ich überhaupt so alt werde.«
»Natürlich wirst du so alt!«, rief Auril. »Wieso solltest du nicht so alt werden?«
»Machen wir
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