Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
verschrieben hatte. Es gibt kaum Aufzeichnungen über ihn, und niemand weiß, warum er irgendwann praktisch von einem Tag auf den anderen verschwand. Aber wir fanden immerhin heraus, dass die Ordensbrüder zu ihrer Zeit umfangreiche Studien zu den Dämonen der Dunkelreiche angestellt hatten, darunter auch dem Grimmwolf, und dass die Stammfeste des Ordens, eine Burg namens Nyrdheim, einst irgendwo im Südosten der Wolkenberge gelegen hatte. Daher hofften wir, in den Ruinen von Nyrdheim eine Schrift zu finden, die uns bei der Bannung des Dämonenwolfs dienlich sein könnte.«
Der Ritter machte eine kurze Pause, und es schien, als rufe er sich die Ereignisse von damals ins Gedächtnis zurück. Schließlich fuhr er fort: »Um die Mächte des Feindes nicht auf unsere Bemühungen aufmerksam zu machen, schickten wir nur einen Krieger aus, Anreon von Agialon. Er sollte sich mit allem Wissen, das wir zusammengetragen hatten, auf die Spur des Silbernen Kreises begeben. Unterdessen führten wir Übrigen zur Ablenkung mutige Vorstöße in das bereits von Calvas eroberte Gebiet, das Undur und einen Großteil von Astria umfasste.«
Hattson verzog ein wenig das Gesicht. Er schien sich daran zu erinnern, welche Folgen ihre Entscheidung gehabt hatte. »Wie Ihr wahrscheinlich alle wisst, fand Anreon Nyrdheim und das Buch, das sich jedoch eher als Fluch denn als Segen herausstellen sollte. Auf der Flucht vor Calvas’ Bestienheer beschlossen Lanfert, Lord Brahe und ich, das Wissen um Nyrdheim geheimzuhalten. Zwar glaubten wir bereits damals, dass Calvas bei der fehlgeschlagenen Bannung des Grimmwolfs und Anreons Tod seine Finger im Spiel gehabt hatte, aber wir wussten nicht, auf welche Weise. Hatte er das Buch bereits als Köder für uns in Nyrdheim ausgelegt? Hatte er einen der Gelehrten, die es in Agialon erforschten, beeinflusst? Oder war es ihm irgendwie gelungen, aus der Ferne die Magie des Buches gegen uns zu richten? Wir vermochten es nicht mit Sicherheit zu sagen. Da wir aber wussten, dass die Macht von Nyrdheim in den falschen Händen nur noch mehr Leid über Endar bringen würde, vernichteten wir unsere Aufzeichnungen über den Standort der Feste. Nur Brahe nahm eine von Anreon gezeichnete Karte mit sich, denn er wollte dorthin zurückkehren. Glücklicherweise habe ich ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sonst hätte ich Euch womöglich nicht hierherführen können.« Der grauhaarige Ritter lächelte.
»Nun habt Ihr uns alles über Eure Beziehung zu Nyrdheim verraten, aber noch kaum etwas über die Feste selbst«, stellte Auril fest. »Was wird uns dort erwarten?«
»Da fragt Ihr mich zu viel«, antwortete Hattson. »Wir hatten in jenen Tagen kaum Zeit, über Anreons Erforschung der Burg zu sprechen. Ich erinnere mich aber noch daran, dass er sie als sehr groß, sehr alt und sehr leer beschrieb, ein Heim, das von seinen Bewohnern schon vor vielen Jahren verlassen worden war.«
Eine Weile saßen sie schweigend beisammen, lauschten dem Knacken des Feuers und ihren eigenen Atemzügen. Auf einmal zerriss ein unheimlicher Schrei in der Ferne die Stille. Es war ein lang gezogener, schriller Laut – wenngleich vom allgegenwärtigen Nebel gedämpft –, der vom oberen Ende des Tales zu ihnen herabwehte. Auril lief ein Schauer über den Rücken. Es klang wie der Wutschrei einer erzürnten Seele.
»Was war das?«, fragte die Albin.
»Bestimmt nur irgendein Tier«, antwortete Zaeena, aber ihre Augen waren zu misstrauischen Schlitzen verengt, als sie den Dunst um sie herum absuchte, so als erwarte sie jeden Augenblick das Auftauchen einer unbekannten Gefahr.
»Es kam von der Burg«, sagte Haffta schlicht.
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Hattson.
»Ich habe ein gutes Gehör«, erwiderte die Wolflingfrau.
»Hm«, brummte Bromm. »Ganz so leer, wie Ihr glaubt, ist Nyrdheim vielleicht doch nicht.«
Hattson blickte ernst in die Richtung, in der die von Nebel und Dunkelheit verborgene Feste lag. »Wir werden es morgen sehen.«
15
DER GEIST VON NYRDHEIM
»Herr, Herr, kommt rasch, das müsst Ihr Euch ansehen!« Mit wehenden Haaren stürmte Silas durch die Gänge von Burg Dornhall, jagte um Ecken und musste mehr als einmal flinke Haken schlagen, um Bediensteten auszuweichen, die ihm im Weg standen. Er riss die Tür zum großen Speisesaal der Burg auf und platzte mitten in die Morgenmahlzeit, die Than Urias von Bergen gemeinsam mit seiner Gemahlin und dem Hofmeister Dinral einnahm.
Missbilligend blickte Urias auf. Der
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