Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
der Burg unter meinen Fingern spüren und den Hauch des Windes, der um die Türme von Nyrdheim streift. Ich finde keine Worte, das Gefühl zu beschreiben, aber ich wurde zu Nyrdheim. Mein Geist hat dieser Burg Leben eingehaucht. Und nach all den Jahren habe ich noch immer nicht all die Geheimnisse ergründet, die damit einhergehen. Es ist wunderbar.« Auf Brahes Gesicht erschien ein Ausdruck beinahe religiöser Ergriffenheit.
»Dann habt Ihr die Ritter auf uns gehetzt?«, mischte sich Zaeena ein.
Brahe zuckte kaum merklich zusammen. Dann zwang er ein Lächeln auf seine Züge. »Callyn, wir sind schlechte Gastgeber. Würdest du für mich in die Küche laufen und unseren Gästen etwas zu trinken holen?«
Das Taijirinmädchen wirkte etwas widerstrebend, denn die Gespräche der Erwachsenen schienen es brennend zu interessieren.
»Komm, Mädchen«, brummte Bromm. »Ich begleite dich und helfe dir.«
Die Aussicht, mit dem sprechenden Bären allein sein und ihm vielleicht ein paar Fragen stellen zu können, verbesserte Callyns Stimmung. »Also gut.«
Der Kristalldrachenritter wartete, bis die beiden den Raum verlassen hatten, bevor er fortfuhr: »Ja, das war ich, aber es handelte sich um ein Missverständnis. Die Sinne dieser Burg gleichen nicht denen eines Menschen. Ich kann sehr gut spüren, wo sich jemand befindet, aber meine Augen und Ohren nehmen nur dumpf wahr, was in den Gängen vorgeht. Ich habe Euch schlichtweg nicht erkannt.« Er hob entschuldigend die Arme. »Normalerweise verirrt sich trotz der alten Straße nur ausgesprochen selten ein einsamer Wanderer hierher. Der Silberne Kreis hat diesen Ort mit großer Sorgfalt gewählt. Und wenn doch mal eine neugierige Seele hier eindringt, gebiete ich Callyn, sich zu verstecken, während ich selbst ein wenig Spuk betreibe. Das reicht für gewöhnlich, um einen ungeladenen Gast wieder zu vertreiben. Ihr hingegen kamt als Gruppe und habt Euch sehr zielstrebig auf die Spur meiner Tochter gesetzt. Um sie zu schützen, musste ich etwas tun.«
»Wieso habt Ihr nicht einfach das Tor versperrt und die Zugbrücke hochgezogen?«, fragte Zaeena.
»Ich bemerkte Euch erst, als Ihr bereits in der Eingangshalle standet. Außerdem wurde die Zugbrücke seit mehr als hundert Jahren nicht mehr hochgezogen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das noch möglich ist. Darüber hinaus glaubte ich, vernommen zu haben, wie jemand meinen Namen rief.«
»Stimmt, ich«, warf Aurils Mutter ein.
»Daher war meine Neugierde geweckt, und ich versuchte, Euch hierherzuführen, ohne dass ihr auf Callyn stoßt. Leider sollte mir das nicht gelingen.«
»Was hat es mit diesem Mädchen eigentlich auf sich?«, fragte Hattson. »Sie ist doch nicht wirklich Eure Tochter. Wo sind ihre leiblichen Eltern?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Brahe. »Callyn war der erste einsame Wanderer, der mich besuchte. Sie tauchte in einer Gewitternacht im Herbst vor zehn Sommern hier auf, allein und vollkommen verwirrt. Was mit ihren Eltern geschehen war, konnte sie mir nicht sagen. Ihr Geist war so von vergangenen Schrecken gezeichnet, dass sie mir nicht einmal ihren Namen nennen konnte. Erst später sollte ich mir zusammenreimen, dass Callyns Eltern als Bauern irgendwo hier in den Bergen gelebt hatten und mit all ihren Knechten einer grausamen Seuche zum Opfer gefallen waren, gegen die das Mädchen auf wundersame Weise gefeit zu sein schien. Einsam war es durch die Berge geirrt, bis es Nyrdheim fand. Und da auch ich einsam war, verjagte ich Callyn nicht, sondern lockte sie zu mir, gewann ihr Vertrauen und pflegte sie, so gut es mir möglich war. Sie blieb bei mir und ist mir heute so teuer, als wäre sie mein eigenes Kind.« Er lächelte wehmütig, und Auril versuchte sich auszumalen, welch seltsame Beziehung dieses vom Schicksal gestrafte Kind und der in einem Kristallblock gefangene Mann geführt haben mochten.
»Um es Callyn leichter zu machen, übte ich mich darin, die Rüstungen, die in der Burg herumstehen, zu beleben. Ich erzählte ihr Geschichten von den edlen Rittern des Silbernen Kreises, die durch einen Zauber zu Geistern geworden waren und die nun allein dafür lebten, mich – und sie – zu beschützen. Die Ritter wurden zu Callyns Spielgefährten, so ungelenk sie auch waren, und zu Freunden, an deren Schulter sie sich ausweinen konnte, wenn sie mit ihrem Vater in Streit geraten war. Daher wäre es mir …« Er stockte kurz und seufzte. »Es wäre mir unangenehm, wenn sie erfahren würde, dass ich
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