Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
zu leisten, schlenderten Bromm, Haffta und Auril durch die Räume und ließen sich von Callyn einige interessante Flecken der Burg zeigen.
»Das ist mein Lieblingsplatz«, sagte das Mädchen, als es seine drei Begleiter auf ein breites Stück der Wehrmauer unterhalb eines Turmes führte. Die Albin konnte es Callyn nicht verdenken. Das von Zinnen umgebene Rechteck befand sich im Süden Nyrdheims und bot einen fantastischen Blick über die Wolkenberge. Wenn man scharfe Augen hatte, vermochte man sogar die grünen Flecken des breganorischen Tieflands zu erkennen, das sich dahinter erstreckte. Die Stelle war vergleichsweise windgeschützt und der Stein von der sommerlichen Mittagssonne noch angenehm warm.
»Ja, sehr behaglich hier«, brummte Bromm und streckte gähnend seinen massigen Bärenkörper. »Genau der richtige Platz für ein Nickerchen am Nachmittag.«
Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als Callyn sich unvermittelt zwischen den Zinnen vorbeugte und einen schrillen Jagdschrei ausstieß, der durch das ganze Tal hallte. Sie strahlte. »Toll, nicht?«
Der Werbär rieb sich mit unbehaglichem Blick über die Brust. »Mädchen, ich wäre vor Schreck beinahe tot umgefallen. Was sollte das denn?«
»Habt ihr das Echo nicht gehört? Man kann von keinem Balkon der Burg so gut schreien wie von hier.«
Haffta legte den Kopf schief. »Du hast nicht zufällig gestern Nacht hier oben gestanden?«, fragte sie.
Callyn kräuselte die hübsche Nase. »Doch. Aber da war ich übellaunig. Manchmal fällt einem hier die Decke auf den Kopf, ganz gleich, wie hoch die Räume sind.«
Die Wolflingfrau wechselte einen vielsagenden Blick mit Bromm und Auril. Damit hatten sie auch die Quelle des nächtlichen Schreis gefunden, der sie gestern beunruhigt hatte.
Eine Weile standen sie schweigend nebeneinander und schauten auf das Tal und die Berge zu ihren Füßen.
»Müsst ihr morgen wirklich schon wieder aufbrechen?«, fragte Callyn plötzlich.
Auril sah das Mädchen an, das sich daraufhin von dem Gebirgspanorama abwandte und ihren Blick erwiderte. Eine seltsame Anspannung lag auf den Zügen von Brahes Ziehtochter. »Ja, das müssen wir«, sagte die Albin. »Es herrscht ein Krieg dort draußen, den wir beenden wollen, bevor er ganz Endar überrollt.«
»Nehmt ihr mich mit?«
»Was?« Auril machte ein überraschtes Gesicht. »Du willst Nyrdheim verlassen?«
Callyn senkte den Kopf. »Schon seit einer Weile. Ich weiß nur nicht, wie ich es Vater sagen soll. Ich will die Welt sehen, andere Völker oder auch nur andere Taijirin kennenlernen. Ich kann doch nicht bis ans Ende meiner Tage in dieser Burg verweilen, oder?«
Die Albin verzog nachdenklich die Miene. »Nein, das ist wahr.«
»Ihr seid meine beste Gelegenheit seit Jahren«, fuhr Callyn fort. »Allein würde Vater mich niemals ziehen lassen – und gegen seinen Willen würde ich auch nicht gehen wollen. Aber ihr seid seine Freunde. Er würde mich sicher in eure Obhut geben, wenn ihr euch bereit erklären würdet, mich mitzunehmen. Und es würde ihm die Trennung leichter machen, wenn er wüsste, dass ich mit seinen Gefährten gehe.«
Auril holte tief Luft. Es fiel ihr schwer, das Folgende zu sagen. »Callyn, ich verstehe dich, aber wir befinden uns auf einer gefährlichen Reise. Es ist nicht der beste Zeitpunkt, um uns zu begleiten.«
»Mir ist gleich, wie gefährlich die Reise ist. Ich will nicht noch zehn Sommer allein mit Vater und ein paar Geisterrittern verbringen.«
»Was hältst du davon, wenn wir dich abholen kommen, sobald all das hier vorbei ist?«, schlug Bromm vor. »Dann kannst du eine Weile mit uns durchs Land ziehen.«
»Nein!«, rief Callyn erregt, und eine bezaubernde Zornesröte breitete sich auf ihren Wangen aus. »Das sagt ihr doch jetzt nur, um mich zu beruhigen. Ich will nicht länger warten. Ich will …« Sie stockte, und auf einmal lag ein Flehen in ihren Augen. »Ich möchte doch nur endlich mal jemanden treffen, der kein alter Mann ist, sondern so denkt und fühlt wie ich. Stellt euch vor, ihr versagt und die Welt versinkt im Dunkel. Dann werde ich sterben, ohne jemals …« Erneut brach Callyn ab. Die Röte auf ihren Wangen verstärkte sich, und man konnte ihr ansehen, dass sie mehr gesagt hatte, als sie eigentlich wollte.
In diesem Augenblick ging Auril ein Licht auf. »Iegi?«, rief die Albin amüsiert. »Es geht um Iegi?«
»Nein, eigentlich meinte ich Ta…«, begann das Mädchen, nur um sich gleich darauf neugierig zu unterbrechen:
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