Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
im Auge sind. Diese Feinde nun haben sich um uns versammelt. Daher ist Euer Kerker kaum noch bewacht. Wir waren lautlos, wir waren vorsichtig, und so konnten wir den Wächtern entgehen.
Diese Antwort war nicht so eindeutig, wie der Dämonenfürst es sich gewünscht hätte, aber ein Feind seiner Feinde war, wenngleich nicht unbedingt ein Freund, so doch zumindest ein zeitweiliger Verbündeter. Das genügte ihm für den Moment. »Sprecht weiter.«
Wir liegen im Kampf mit den Geschöpfen, die Ihr Kristalldrachen nennt. Sie binden unsere Kraft, sodass wir uns nicht befreien können. Helft uns, sie zu besiegen, und Eure Zeit als Gefangener im eigenen Reich ist so gut wie vorüber.
Ghorca’than spürte, wie sein Blut in Wallung geriet. Konnte es sein, dass sich das Rad des Schicksals wieder zu seinen Gunsten drehte? »Wie soll das bewerkstelligt werden?«
Der Schatten sagte es ihm.
Als er fertig war, spürte der Herr der Tiefe, wie eine Welle boshafter Zufriedenheit in ihm aufstieg. Seine Lippen verzogen sich zu einem finsteren Lächeln. Ein Grollen drang aus seiner Kehle. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass das Geräusch von den Steinwänden widerhallte und die ganze Höhle erfüllte.
Kesrondaia brüllte ihren Schmerz und ihren Zorn hinaus, und die Schatten von Gongathar antworteten ihr mit lang gezogenem Heulen. Selten in ihrem äonenlangen Leben hatte die Kristalldrachin solche Qualen erdulden müssen. Der Kampf zwischen den Ihren und den Schatten währte noch nicht lange – ein paar Wochen in der Zeitmessung der jungen Völker, kaum mehr als einen Augenblick nach Kesrondaias innerem Kalender –, und trotzdem verspürte sie eine abgrundtiefe Erschöpfung, die sie ängstigte.
Sie wusste nicht, woher die Schatten kamen, und auch nicht, wie lange sie bereits in Gongathar geschlafen hatten, als sie und ihre Kinder nach Endar kamen, damals, als die Welt noch jung gewesen war, dampfend vor urtümlichem Leben, von Strömen brodelnden Blutes der Erde durchzogen, im grausamen Griff Ghorca’thans und seiner Dämonen gefangen. Schon zu jener Zeit hatte die weiße Turmstadt einsam und von allen Kräften der Natur unberührt an diesem Ort gestanden, und weder die Diener des Herrn der Tiefe noch die Kristalldrachen hatten es gewagt, sie aus ihrem magischen Schlaf zu wecken. Sie alle hatten gespürt, dass das, was in den schwarzen Tiefen der uralten Metropole ruhte, das Gegenteil allen Lebens war – gleich, ob aus dem Feuer oder dem Licht der Sterne geboren.
Doch die Zeit war über dieses Wissen hinweggegangen, hatte es verwittern und im Wind vieler Jahrhunderte verwehen lassen, bis nur noch Zerrbilder übrig waren, Spukgeschichten, die alte Männer am Lagerfeuer oder in den hinteren Bankreihen der Gasthäuser vor sich hin murmelten. Die Gier und der Leichtsinn nicht nur der jungen Völker, sondern auch Ghorca’thans wischten diese gemurmelten Warnungen beiseite. Gongathar war in all den Äonen nicht erwacht. Wieso sollten seine Bewohner also jemals zurückkehren?
Kesrondaia vermochte nicht zu sagen, durch welches Ereignis die Barriere, die zwischen den Schatten und Endar bis dahin bestanden hatte, niedergerissen worden war. Möglicherweise hatte sich auch einfach ein schier ewiger Zyklus des Schlafes seinem Ende zugeneigt, und es hatte nur des Hustens eines Winzlings bedurft, um den Riesen dem Reich der Träume zu entreißen. Aber diese Frage spielte ohnehin keine Rolle mehr. Die Schatten waren hier, und Kesrondaia spürte mit jeder Faser ihres nahezu unsterblichen Körpers, dass sie den Widerpart jenes Lichts darstellten, aus dem alles entstanden war. Sie würden alles, restlos alles Leben verschlingen und die Welt in eine furchtbare Dunkelheit stürzen, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wurde.
Fünfundzwanzig Kristalldrachen kämpften um nichts anderes als den Fortbestand all dessen, was sie aus dem feurigen Leib Endars für die jungen Völker erschaffen hatten. Nur einer von ihnen war als Wächter in den Dunkelreichen zurückgeblieben. Kesrondaia konnte sich jedoch der Erkenntnis nicht verschließen, dass sie diesen Kampf trotzdem verlieren würden. Die Alte Macht war stark in ihnen allen und verlieh ihnen beinahe gottgleiche Kräfte. Aber es reichte nicht. Die Schatten rissen mit unvorstellbarer Gewalt an den Ketten, die ihnen die Kristalldrachen zeitweilig angelegt hatten. Früher oder später würden sie gewinnen.
Wieder schlugen die Schatten zu, und Kesrondaia spürte den furchtbaren
Weitere Kostenlose Bücher