Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
er fletschte knurrend die Zähne.
Dann hatten sie die beiden Kämpfenden erreicht. Jaular erwartete, dass Wuffzak die Fauchon einfach mitten durch den Schattenarm hindurchjagen würde. Im letzten Augenblick riss der ehemalige Söldner das Flugschiff jedoch in einer halsbrecherischen Kurve herum und legte es dabei auf die Seite. Der General schrie auf, als sie, den Schiffsrumpf als Schild zwischen sich und die monströse Schattenbrut haltend, den Riesenarm durchbrachen. Für den Bruchteil eines Herzschlags verspürte Jaular eine grauenhafte, tödliche Kälte, die seinem Körper alle Wärme zu entziehen versuchte. Im nächsten Moment war es auch schon wieder vorbei, und sie schossen weiter in die Tiefe.
Jaular fuhr herum und blickte hinter sich. Er sah, dass ihr Angriff eine klaffende Dunstwolke hinterlassen hatte, die sich träge in der kühlen Luft verflüchtigte. Der Kristalldrache mit dem sechsfach gehörnten Schädel schüttelte den Rest des Schattenarms ab, brüllte so laut, dass die Turmbauten Gongathars wackelten, und stach mit einer sonnenhellen Lichtsäule in die Nebelwand vor ihm. Ein lang gezogener Klagelaut war die Folge.
»Ja! Wir haben es geschafft!«, rief Jaular und reckte begeistert eine Faust in die Luft.
»Nicht ganz«, stieß Wuffzak neben ihm gepresst hervor.
Jaular wandte den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass der Schiffsrumpf noch immer gefährlich auf der Kante stand. Zu seiner Rechten befand sich der Erdboden, zu seiner Linken der Himmel – was ganz und gar nicht richtig wirkte. Darüber hinaus begann ihr Gefährt, bedenklich zu kreiseln. »Was ist los?«
»Ich habe übersteuert«, gab der Soldat hastig zurück. »Die Kristalle tragen den Rumpf nicht mehr, sie ziehen an ihm. Wenn wir Pech haben, kippen wir ganz um und das war’s dann.« Er hob die Hand an die Schnauze. »Steuerbordfächer raus, schnell!«, brüllte er seinen Männern zu.
Während der Erdboden ihnen entgegensprang wie ein hungriges Raubtier, hangelten sich die Soldaten an der Reling entlang und versuchten, gegen die Kräfte, die ihr fragiles Gefährt fest im Griff hatten, den Seitenfächer aufzuspannen, um ihren Luftwiderstand zu erhöhen und das Flugschiff wieder zurück in seine normale Fluglage kippen zu lassen. Fluchend vor Anstrengung zogen sie das flatternde und widerstrebende Seitensegel auf. Sie hatten es zur Hälfte geschafft, als es ein berstendes Geräusch gab und die ganze Fächerkonstruktion abbrach. An einer letzten Strebe hängend flatterte das Segel neben ihnen her, dann riss es völlig ab und verschwand in der Dunkelheit.
Doch dieser Ruck war es, den sie gebraucht hatten. Das Flugschiff wurde an Steuerbord in die Höhe gezogen, und auf einmal sackte es zurück in die Waagerechte. Jaular schrie erleichtert auf. Wuffzak öffnete alle Kyrilliankästen, um ihren Sturz abzubremsen. Im nächsten Moment schlugen sie krachend mitten in die erste Schlachtreihe des Kazzachheeres ein.
»Dreigötter!«, schrie Tarean und zog den Kopf ein, um weniger Widerstand zu bieten, als der riesige Brecher über die Reling der Sturmbraut hinwegschwappte. Er spürte, wie die eiskalten Wassermassen an seinem Leib zerrten und ihn von Bord zu spülen versuchten, aber seine Finger hatten sich so schmerzhaft fest um das Tau geschlossen, dass sie sich vermutlich selbst dann nicht mehr gelöst hätten, wenn er es gewollt hätte. Allerdings verschluckte er einen guten Liter des salzigen Meerwassers und hustete und spuckte, kaum dass er wieder imstande war, Luft zu holen. »Wo kommt dieses Unwetter auf einmal her?«, fragte er fassungslos.
»Das wüsste ich auch gerne!«, rief Kapitän Gorrion, der neben ihm am Steuerrad des kleinen, flinken Einmasters stand.
Ihrer beider Frage war nicht ganz unbegründet. Bis vor einer halben Stunde war der Himmel zwar bewölkt gewesen, aber es hatte kaum Wind geherrscht – genau wie während der gesamten letzten Woche, seit sie die Küste hinter sich gelassen und an Kalmarons Rücken vorbei einen Kurs aufs offene Meer gesetzt hatten. Die Seebrise war mitunter so schwach gewesen, dass Gorrion schon gemurmelt hatte, das ginge doch nicht mit rechten Dingen zu, und hätte die Sturmbraut Ruder besessen, wäre Tarean mehr als einmal in Versuchung geraten, ihre Reise mit Muskelkraft ein wenig zu beschleunigen. Denn mit jedem Tag, der verstrichen war, ohne dass sie ihr Ziel erreichten, wurde nicht nur die Sorge des Jungen um die Freunde in Nondur größer, seine Begeisterung für die Seefahrt nahm auch
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