Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
in gleichem Maße ab.
Dabei hatte er es anfangs noch kaum erwarten können. Die Aussicht, mit einem stolzen Schiff , wie Auril es bezeichnete, auf große Entdeckerfahrt zu gehen, hatte seine Fantasie beflügelt und ihn in einen regelrechten Begeisterungsrausch versetzt. Diese Verzückung hatte ihren ersten Dämpfer erhalten, als Tarean, Auril, Bromm und Moosbeere am Morgen nach ihrer ursprünglichen Begegnung mit dem fragwürdigen Seemann namens Gorrion zum vereinbarten Treffpunkt am Rand des Hafens gekommen waren. Die Sturmbraut hatte sich als alles andere als ein stolzes Schiff entpuppt. Vielmehr handelte es sich um eine bessere Nussschale mit einer winzigen Kajüte, nur einem Mast und einem Segel, das dem Anschein nach bereits mehrfach behelfsmäßig geflickt worden war. »Wenn Euch das Schiff nicht gefällt, könnt Ihr gerne von dem Vertrag zurücktreten«, hatte Gorrion ihnen mit einem Schulterzucken verkündet. »Den Vorschuss gibt es aber nicht zurück!« Also waren sie an Bord gegangen.
Als Zweites hatte Tarean festgestellt, dass eine Seefahrt doch etwas gänzlich anderes war als eine Reise den Riva hinab. Das ständige Auf und Ab des Horizonts, das mit dem Schaukeln des Schiffes auf den Wellen einherging, machte ihm in den ersten zwei Tagen gehörig zu schaffen. »Seekrank«, nannte Gorrion diesen Zustand unerfreulicher Übelkeit, und der Kapitän und seine drei Mann Besatzung – ein bärtiger Alter namens Granpa, ein sommersprossiger Bursche, der Flynx hieß, und ein schweigsamer Nondurier, den sie aus irgendeinem Grund nur Derwisch nannten – lachten herzlich über das grüne Gesicht des Jungen und seine Schwierigkeiten, seine Mahlzeiten bei sich zu behalten.
Sie lachten nicht mehr, als aus der Kajüte ein furchtbares Röhren drang und auf einmal ein riesenhafter Bär auf Deck erschien. Es bedurfte einiges an guten Worten von Auril, um Gorrion Bromms Werbärennatur zu erklären und ihn davon abzuhalten, auf der Stelle die Sturmbraut zu wenden und wieder nach Hause zu segeln.
Nachdem sie Kalmarons Rücken passiert hatten, eine Inselgruppe, auf der außer ein paar nondurischen Fischern niemand lebte, und Moosbeere auf Anfrage Tareans mit eher unsicherer Miene eine Reiseroute nach Südwesten vorgegeben hatte, geschah einige Tage lang gar nichts, und Tareans dritte Erkenntnis bestand folglich darin, dass so eine Ozeanüberquerung schlichtweg langweilig war. Im Gegensatz zu einer Flussfahrt gab es nichts zu sehen, außer Meilen um Meilen von Wasser, und dieser Anblick nutzte sich ziemlich schnell ab. Zwar hatten sich die Freunde von Granpa Seemannsgarn erzählen lassen, Flynx hatte Tarean und Auril eine Reihe seltsamer Knoten beigebracht, und gelegentlich hatten sich Tarean und Moosbeere in die Kajüte zurückgezogen, damit der Junge weiter an der Beherrschung der Alten Macht arbeiten konnte. Trotzdem wünschte sich Tarean nach einer Woche sehnlich, es möge irgendetwas passieren, das ein wenig Abwechslung in ihre eintönige Fahrt bringen würde.
Diesen Wunsch bereute er mittlerweile bitter. Denn neun Tage nachdem sie Bristaja verlassen hatten, war der Himmel im Osten auf einmal stockfinster geworden. Mit geradezu widernatürlicher Geschwindigkeit hatte sich ihnen eine pechschwarze Sturmfront genähert. Gorrion und seiner Mannschaft war es eben noch möglich gewesen, ihre Vorräte mit Tauen zu sichern, bevor das Unwetter auch schon über sie hereingebrochen war.
Und nun steckten sie mittendrin. Obwohl es früher Nachmittag war, herrschte eine Dunkelheit um sie herum, als wäre finsterste Nacht. Gorrion hatte Sturmlaternen, in denen ewige Feenfeuer brannten, an Bug, Mast und Heck aufhängen lassen. Ohne dieses Licht hätten sie sich praktisch völlig blind durch die aufgewühlte See tasten müssen.
Ihre Aussichten, den haushohen Brechern zu entgehen, wurden durch die Feenfeuer allerdings auch nicht besser. Tarean und seinen Freunden blieb nichts anderes übrig, als sich selbst und alles, was nicht niet- und nagelfest war, irgendwie zu sichern und dann mit bangen Blicken auszuharren, während Gorrion und Granpa gemeinsam das Steuerrad umklammerten, damit sie nicht völlig die Kontrolle über das Schiff verloren.
Trotz alledem schien sich ihr Kapitän keine allzu großen Sorgen zu machen. Er bedachte Tarean mit einem wilden Grinsen und rief: »Fürchtet Euch nicht. Die Sturmbraut hat schon ganz andere Unwetter überstanden.« Eine weitere Welle schwappte über sie hinweg und durchnässte sie bis auf die
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