Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
heute verpflichtet, für den Schutz seiner geflügelten Begleiterin zu sorgen. Weder Hattson noch Zaeena, denen Lord Brahe seine Ziehtochter anvertraut hatte, würden imstande sein, Callyn so zu beschützen wie er. Zum einen hatten sie Teile des Heeres von Jeorhel übernommen, um den Alben und Menschen durch ihr strahlendes Beispiel Mut zu spenden. Zum anderen waren sie erdgebunden und vermochten dem Mädchen nicht zu folgen, wenn es in einem Augenblick höchster Not sein Heil in der Luft suchte, wie es jeder Vogelmensch unbewusst tat.
»Nein«, presste Callyn hervor.
Iegi machte ein überraschtes Gesicht. »Nein? Nein was?«
Das Mädchen wandte ihm das hübsche Antlitz zu und sah ihn trotzig an. »Ich will kämpfen wie alle anderen auch. Vater lehrte mich, mit Waffen umzugehen, und ich habe Atriton, sein Schwert.«
Der Taijirinprinz schüttelte den Kopf. »Das ist zu gefährlich. Du hast noch nie einen echten Kampf bestritten.«
»Ich habe gegen die Geisterritter gefochten.«
Es gelang Iegi nicht, ein Auflachen zu unterdrücken. »Ja, die lebenden Rüstungen. Du hast davon erzählt. Aber das ist etwas völlig anderes. Die Kazzach sind wild und unerbittlich. Sie treten nicht nach dem ersten Treffer höflich zurück und lassen dich zu Atem kommen. Sie schlagen wieder und wieder zu – wenn es sein muss auch mit Armen und Beinen. Außerdem werden sie ohne Skrupel zu dritt oder zu viert über dich herfallen. Und dort unten in dem Chaos kann ich dich nicht beschützen.«
»Ich brauche deinen Schutz nicht!«
»Oh doch, den brauchst du, kleines Mädchen.«
»Nenn mich nicht so!«
»Ich habe allen Grund dazu, so töricht, wie du dich gerade benimmst.«
Callyn schnaubte und warf ihm einen bösen Blick zu. »Wir werden ja sehen, wer von uns hier Schutz braucht. Los, Ro’ik.« Mit diesen Worten trieb sie ihren Greifen an. Das Vogelpferd hingegen gab nur ein Krächzen von sich und schüttelte das gefiederte Haupt. Callyn fauchte enttäuscht und breitete die Flügel aus, zweifellos in der Absicht, sich aus eigener Kraft in den Kampf zu stürzen.
»Nein!«, schrie Iegi. Mit einem Satz war er aus dem Sattel. Ein kurzer Flügelschlag brachte ihn zu seiner widerspenstigen Begleiterin. Er packte sie und riss sie zu Boden. Platschend fielen beide ins regennasse Gras.
»Lass mich los«, zeterte Callyn und wehrte sich mit Händen und Füßen, aber Iegi war nicht nur schwerer und stärker als sie, sondern auch erfahrener darin, einen Gegner niederzuringen.
»Hör auf, bitte«, flehte er sie an. »Ich will nicht mit dir streiten.«
»Dann lass mich hier nicht zurück«, fauchte das Mädchen. »Ich möchte an deiner Seite kämpfen.«
Iegi blinzelte. »Ich … Das …«, stammelte er und schüttelte den Kopf. »Du hast mich falsch verstanden. Ich wollte dich nicht zurücklassen. Ich wollte mit dir zurückbleiben.«
»Aber alle kämpfen darum, dass das Leben auf Endar weitergehen kann. Ich will helfen. Mehr als alle anderen wünsche ich mir, dass das Leben weitergeht, denn für mich hat es doch gerade erst begonnen.« Callyn nahm seinen Blick mit ihren dunklen Augen gefangen, und Iegi spürte, wie sein Widerstand schmolz.
»Also gut«, sagte er mit einem Nicken. Seine Mundwinkel zuckten in der Andeutung eines Grinsens. »Zeigen wir diesen Erdgebundenen, wozu Taijirin fähig sind. Du musst mir jedoch versprechen, von nun an auf mich zu hören!«
»Ich verspreche es«, erwiderte das Mädchen. Etwas hinter Iegis Rücken erweckte Callyns Aufmerksamkeit, und auf einmal erblühte eine deutliche Röte auf ihren Wangen. »Du kannst mich jetzt übrigens loslassen. Die anderen schauen schon.«
Erst da wurde Iegi bewusst, dass er noch immer auf Callyn lag und ihre Arme und Beine auf den nassen Erdboden drückte. Er spürte, wie auch ihm das Blut ins Gesicht schoss, und rollte sich rasch von ihr herunter. Seine Verlegenheit wurde noch größer, als er bemerkte, dass der Hochkönig sie aus bernsteinfarben glühenden Augen von seinem Schlachtross herab anblickte. Jeorhel nickte dem Taijirinprinzen unmerklich zu. Anschließend hob der Heerführer den Kopf und befahl mit klarer Stimme: »Feuer.«
In ihrem Rücken erklang das Sirren von tausend Langbogensehnen, und im nächsten Moment zischten tausend Brandpfeile wie ein gewaltiger Schwarm zorniger Glühkäfer vor dem Hintergrund schwarzer Wolken über ihre Köpfe hinweg. Gleichzeitig donnerten die Feldkatapulte und jagten dem Feind strahlende Bälle aus reinem Licht entgegen. Mit
Weitere Kostenlose Bücher