Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Wolflingfrau zu bleiben – solange sie sich von mir fernhält. Willst du sie sehen?«
Die harten Worte Beornhards versetzten Tarean einen leichten Stich. Für ihn war Haffta im Laufe der letzten Wochen vielleicht nicht unbedingt zu einer Freundin, aber zumindest zu einer treuen Gefährtin geworden. Und hatte Kesrondaia sie nicht dadurch geadelt, dass sie ihr die Ritterschaft im Orden der Kristalldrachenritter angeboten hatte? Aber für gewöhnliche Menschen ist sie eben nur eine Grawl und damit ein Feind , wurde ihm bewusst. Vielleicht wärst du besser nach Osten gegangen, statt dich mir anzuschließen, Haffta. Du wirst es nicht leicht haben …
»Darf ich jetzt rauskommen?«, unterbrach ein helles Stimmchen seinen Gedankengang, und als der Junge nicht sofort antwortete, steckte Moosbeere ihren Kopf aus der Tasche.
Beornhard riss die Augen auf. »Das Irrlicht!«, entfuhr es ihm verblüfft.
»He«, beschwerte sich Tareans winzige Gefährtin, während sie sich in die Luft schwang. »Ich bin nicht das Irrlicht . Ich bin Moosbeere.«
»Aber Auril erzählte, dass es tot sei …«, wandte sich der Krieger verwirrt an Tarean.
»Auril meinte auch, dass Ihr tot wärt«, gab dieser zurück. »Sie urteilt etwas vorschnell in dieser Beziehung.« Er schenkte Beornhard einen vielsagenden Blick.
»Erst eine Wolfsfrau, jetzt ein Irrlicht unter meinem Dach.« Tareans Gegenüber schüttelte den Kopf. »Wir leben in seltsamen Zeiten.«
»Oh, das ist nur ein Bruchteil der seltsamen Dinge, die mir in den letzten Monden widerfahren sind. Aber wollten wir nicht in die Küche gehen?« Der Junge deutete mit dem Kinn auf die Tür, in der Beornhard stehen geblieben war. »Ich rufe nur eben Haffta zu uns, dann können wir uns unterhalten.«
Der Krieger musterte ihn mit mürrischer Miene, doch Tarean gab nicht klein bei. Haffta würde eine Ordensritterin werden, so wie er selbst. Es wurde höchste Zeit, dass sich die Welt an ihr Gesicht gewöhnte – und wenn es auch nur in kleinen Schritten war.
»Nun hab dich nicht so, grauer Riese«, mischte sich Moosbeere ein. »Das Wolfsmädchen hat genauso gegen den Hexer gekämpft wie du auch. Sie wurde von ihm ausgenutzt, hat ihre ganze Familie durch ihn verloren und ist mit uns bis in die Dunkelreiche gereist, um sich an dem Kerl zu rächen. Was muss sie noch tun, um für dich zu den Guten zu zählen?«
In Beornhards Gesicht arbeitete es sichtlich, als er mit seinen Erinnerungen und zugleich mit seinem Gewissen rang, doch schließlich nickte er. »Also schön. Holt sie. Ich bin in der Küche.« Mit diesen Worten wandte er sich ab, verschwand in dem Raum in seinem Rücken und fing an, dort zu rumoren.
»Das war nicht schlecht, Moosbeere«, raunte Tarean seiner Gefährtin zu.
»Ich weiß«, pflichtete ihm Moosbeere bei und strahlte. »Bin gleich wieder da.« Wie der Blitz war sie die Treppe hinauf verschwunden, und Tarean hörte nur noch ihr helles Stimmchen nach Haffta rufen. Gleich darauf war sie wieder da, und die Grawlfrau folgte ihr auf dem Fuß. Haffta wirkte nicht überrascht, den Jungen oder das Irrlicht zu sehen. Offensichtlich hatte ihr feines Gehör sie bereits von der Ankunft der beiden in Kenntnis gesetzt.
»Es freut mich, dich wohlbehalten wiederzusehen, Tarean«, grollte die Grawl, und ihre Wolfsschnauze verzog sich bei dem Versuch eines menschlichen Lächelns zu einer furchterregenden Grimasse.
»Ja, mir geht es genauso.« Tarean erwiderte das Lächeln. »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er etwas leiser und mit einem Nicken zur Küche.
»Ich will nicht klagen«, gab die Wolfsfrau zurück. »Es gibt sicher Orte, an denen ich lieber wäre, aber dieser hier ist wahrscheinlich der beste, den es in diesen Tagen innerhalb der Mauern von Agialon für mich geben kann.«
Sie begaben sich in die Küche, wo Beornhard damit begonnen hatte, ein schlichtes Nachtmahl aufzutischen. Der Krieger bedachte Haffta mit einem säuerlichen Blick, sagte aber nichts, und auch sie hielt ihren Abstand zu ihm. Tareans Magen knurrte vernehmlich beim Anblick von frischem Brot, duftendem Käse und saftigem Fleisch. Er hatte in den letzten Tagen eindeutig zu wenig zu essen bekommen.
»Setz dich doch«, lud Beornhard ihn zu sich an den Tisch ein. »Iss. Und erzähl mir von dir. Ich weiß praktisch nichts über dich, außer dem wenigen, das mir Auril verraten hat und was ich aus Erzählungen Wilferts erfahren habe.«
»Wilfert!«, rief Tarean aus, als ihm plötzlich ein Gedanke in den Sinn kam.
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