Target 5
diesen pedantischen Kapitän zu zermürben. Schon bei der ersten Begegnung hatte er gewußt, daß diese Taktik notwendig werden würde. Tuchewsky protestierte wieder.
»Als ich das Kommando über die Revolution übernahm, war die eigentliche Absicht, Forschungsaufträge auszuführen, Meeresforschung…«
»Heuchler! Sie haben amerikanische Satelliten kontrolliert. Das ist natürlich auch Forschung – militärische Forschung!«
»Wir führen auch Experimente für die Meeresforschung durch«, entgegnete Tuchewsky patzig. »Wassertemperatur, Salzgehalt…«
»Was alles mit den Operationen der U-Boote zu tun hat! Sie widern mich an, Tuchewsky! Sie wissen so gut wie ich, daß alle Daten, die Sie sammeln, an die militärischen Nachrichtendienste weitergereicht werden – die ihrerseits entscheiden, welche Fetzen sie an die Professoren weitergeben…«
»Ich tue es nicht!« rief Tuchewsky. »Ich werde den amerikanischen Eisbrecher nicht versenken. Sie sind wahnsinnig – das würde nicht ohne Folgen bleiben.«
»Auch hier sind Sie im Unrecht«, bemerkte Papanin zynisch. »Die Elroy fährt ohne Radar in südliche Richtung – das wissen wir von dem Hubschrauber, der sie vor zwei Stunden gesichtet hat. Sie kann auch mit niemanden Verbindung aufnehmen – die Sperrstörung hat sie total isoliert.«
»Sie hat einen Hubschrauber«, sagte Tuchewsky boshaft. »Das haben Sie wohl übersehen.«
»Nein, habe ich nicht.« Papanin ging zu dem Navigationstisch, um seine Gereiztheit zu verbergen. Tuchewsky hatte einen empfindlichen Nerv getroffen; seit Stunden überlegte der Sibirier, wie er die Sikorsky der Elroy unschädlich machen konnte. »Gorow und die Katharina-Karten sind an Bord dieses Schiffes«, erklärte er geduldig. »Wenn wir sie nicht zurückholen, müssen wir sie zerstören…«
»Das werden wir nicht tun…«
»Ich kann mich nicht entsinnen, Sie um etwas gebeten zu haben. Aber diese Gewässer sind von Eisbergen übersät – und Unfälle passieren jeden Tag. Und Sie sollten einmal an Ihre Familie denken«, fügte Papanin beiläufig hinzu.
»Meine Familie? Was hat denn dies mit meiner Familie zu tun?«
»Insbesondere mit Ihrer Frau«, antwortete der Sibirier ausdruckslos. »Sie ist Jüdin…«
»Das ist eine Lüge!«
Papanin seufzte. »Sie ist Halbjüdin. Ihre Mutter war Jüdin. Sie scheinen vergessen zu haben, daß eine meiner Aufgaben darin besteht, jüdische Agitation in Leningrad ganz besonders im Auge zu behalten…«
»Damit hat sie nichts zu tun…«
»Tuchewsky! Bitte bleiben Sie ruhig! Haben Sie den Funkspruch mit dem Befehl vergessen, alle meine Anweisungen zu befolgen?« Papanin setzte seine Erklärung geduldig fort. »Wenn man feststellen sollte, daß Ihre Frau etwas mit gewissen antisowjetischen Tätigkeiten zu tun hätte, könnte ich es leicht arrangieren, daß man sie nach Israel schickt. Sie würden sie nie wiedersehen, nicht wahr?«
»Das würden Sie nicht wagen.«
»Wie würde es weitergehen? Einige Jahre lang würde sie noch hoffen, hoffen, daß auch Sie kommen. Frauen liegt das Hoffen sehr. Aber nach einiger Zeit würde sie einsehen, daß alles vorbei ist, daß sie ein eigenes Leben leben muß. Wir könnten sogar eine Scheidung arrangieren, wenn sie es wünschen würde…«
»Sie Schweinehund…«
»Das muß ich sein«, stimmte Papanin ihm ruhig zu. »Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für meinen Job.«
»Es muß eine andere Möglichkeit geben…«
»Wenn Ihnen eine einfällt, lassen Sie’s mich wissen.«
»Ihre Sikorsky ist auf dem Rückweg«, sagte Schmidt.
Beaumont, der mit Grayson und Langer auf der Brücke der Elroy stand, gab keine Antwort. »Ihr Hubschrauber…« Beaumont hatte Schmidt gedrängt, Qinn wieder in die Luft zu schicken, um festzustellen, was vor ihnen lag – falls Quinn einverstanden war. Quinn hatte tatsächlich darauf gebrannt, seine Maschine zu starten, seitdem sie aus dem Eisnebel herausgekommen waren. Schmidt war im Augenblick verständlicherweise mit Problemen der Navigation beschäftigt.
Sie waren rundherum von Eisbergen umringt, die kaum sichtbar waren in dem schweren Nebel, der über der plötzlich ruhig gewordenen See trieb. Vor zwei Stunden hatte das verschrammte und zerbeulte Schiff in dreizehn Meter hohen Wellen um seine Existenz gekämpft, und jetzt fuhr es langsam vorwärts durch eine See wie kalte Milch. Noch kippte es stark nach Backbord und trug das ungeheure Gewicht der großen Eismengen, die gegen die Backbordreling
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