Target 5
Behälter.
»Welche Nachricht hat Ihnen der Amerikaner übergeben?«
Ein Mann packte Gorows Unterkiefer, ein anderer zwängte ihm einen großen Gummitrichter in den Mund, der dritte fing an, Wasser in den Trichter zu gießen. Sofort hatte er das Gefühl zu ersticken; das Gefühl des Ertrinkens kam später. Auf einem Hocker neben seinem Patienten saß ein Arzt, der ein Stethoskop an Gorows nackte Brust hielt.
Für Gorow, der flach auf dem Rücken lag, blind und unfähig, sich zu bewegen, bestand die Welt aus Wasser – Wasser, das in seinen Mund floß, Wasser, das in seine Kehle strömte, Wasser, das sich in seine Lungen ergoß. Verzweifelt versuchte er, Arme und Brust zu heben, versuchte, den Atem anzuhalten; und dann spuckte er, würgte – von Schmerzen geschüttelt – erbrach sich, war dem Ersticken nah. Sein ganzer Körper schien anzuschwellen und drohte zu bersten. Seine Augen quollen hervor, seine Halsmuskeln strafften sich und erschlafften wieder. Er versuchte zu schreien. Aber der Schrei erstickte, und Gorow wußte, daß er starb, ertrank. Sie gossen weiter Wasser, bis der Arzt zu Kramer hinüberschaute. Der Balte nickte. Jemand traf auf einen Fußhebel unter der Liege, das Kopfende der Liege schnellte nach oben und brachte Gorow in Sitzstellung. Der Matrose würgte, spuckte, schnappte nach Luft. Sein Kopf baumelte nach unten, er hechelte unregelmäßig. Kramer nahm die Augenbinde ab, faßte unter Gorows Kinn und hob seinen Kopf.
»Welche Nachricht hat Ihnen der Amerikaner übergeben?«
Glasige Augen starrten auf Kramer zurück, Augen voll Haß. Zweimal versuchte er zu sprechen, sah auf sein linkes Handgelenk, und zweimal brachte er nur ein heiseres Krächzen heraus, einen kaum menschenähnlichen Laut. Sie hatten ihm die Uhr abgenommen. Das war für Gorow die größte Qual: Er hatte keine Ahnung, wieviel Zeit verstrichen war, nichts, was ihm sagen konnte, wie lange er noch durchhalten mußte. Beim drittenmal gelang es ihm, die Worte herauszubringen: »Keine Nachricht…«, wobei seine Augen Kramer haßerfüllt anfunkelten.
Der Balte wußte jetzt, daß die Widerstandskraft Gorows groß war. Es würde eine halbe Stunde dauern, vermutete er, vielleicht aber auch weniger. Wenn der Haß verschwinden würde, abgelöst von Todesqualen, dann würden sie ihrem Ziel näherkommen. Er nickte, und sie wiederholten die Behandlung. Gorow schätzte, daß gut zwanzig Minuten vergangen sein müßten. Tatsächlich waren es aber weniger als fünf Minuten, seitdem sie ihn in den Keller gebracht hatten.
Die Lokomotive kam allmählich in Fahrt. Papanin brachte seine Leute auf Trab, als wäre er erst gerade vor einer Stunde aufgestanden. In Wirklichkeit hatte er inzwischen zweiundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Nicht die Nachricht, mit der der Balte in das Zimmer stürzte, war es, die seine fieberhafte Aktivität in Gang gebracht hatte. Wieder einmal nahm er dem dicken Balten den Wind aus den Segeln.
»Michael Gorow will zu den Amerikanern überlaufen…«
»Dazu haben Sie zwei Stunden gebraucht. Kramer.« Papanin sah auf die Wanduhr, die fünf Uhr dreißig anzeigte. »Dieser Steuermann ist ein tapferer Mann, und Sie sind zu spät mit Ihren Neuigkeiten; diese Meldung ist gerade aus Nordpol 17 eingetroffen.« Er reichte das Papier dem Balten, der durch den plötzlichen Temperaturwechsel in Schweiß ausbrach, während er las. Michael Gorow Mitternacht mit Hundegespann von Nordpol 17 entflohen. Sicherheitsmann Marow tot im Eis aufgefunden. Suchtrupps ausgeschickt. Erbitte Anweisungen. Minsky. –
In weniger als einer Minute hatte Papanin handschriftlich seine Antwort hingekritzelt, mit der Petrow in die Nachrichtenzentrale lief: – Senden Sie alle verfügbaren Hubschrauber weiter westlich, als Gorow gekommen sein kann. Gründlich durchkämmen zurück bis Nordpol 17. Melden Sie unverzüglich irgendwelche Aktivitäten um Target 5. Papanin. –
Er wies Kramer an, erstens mit Murmansk Verbindung aufzunehmen, um festzustellen, ob der Bison-Bomber zu sofortigem Start bereit sei, zweitens vom Leningrader Flughafen die Bestätigung einzuholen, daß ein Flugzeug startklar bereitstand; drittens per Funk bei der Trawler-Flotte K 49 und bei der Revolution Informationen über amerikanische Aktivität in diesem Gebiet anzufordern und schließlich viertens dem Hubschrauberträger Gorki den Auftrag zu geben, unverzüglich die gegenwärtige Position des amerikanischen Eisbrechers Elroy festzustellen.
Er rief General Boris Syrtow, den
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