Target 5
Chef des Sicherheitsdienstes für besondere Aufgaben in Moskau an, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß er ihn um halb sechs in der Frühe vielleicht aus dem Bett holen könnte. Aber Syrtow war gerade selbst schon im Begriff, den Sibirier anzurufen; das Gespräch wurde mit einem Gefecht eröffnet.
»Papanin!« Syrtows Ton war scharf. »Ich höre gerade aus Murmansk, daß Sie Alarmbereitschaft für die Arktis angeordnet hätten. Das stimmt doch wohl nicht, oder?«
»Es stimmt, General…«
»Ohne meine Ermächtigung?«
»Es war eine dringende Vorsichtsmaßnahme…«
»Breschnew hat davon erfahren. Ich muß sofort in den Kreml.«
»Gut…«
»Was haben Sie gesagt?« brüllte Syrtow.
»Die Vorsichtsmaßnahmen waren gerechtfertigt«, raunzte Papanin zurück. Jetzt fuhr er sein Geschütz auf. »Michael Gorow ist über das Eis geflüchtet… Er bringt den Amerikanern mehr als nur sein Gehirn. Soeben habe ich in Erfahrung gebracht, daß er zwei Stunden im Geheimarchiv zugebracht hat, als ich in Moskau war. Ich fürchte, er hat die Katharina-Dokumente fotografiert. Er bringt ihnen eine Kopie unseres gesamten Unterwassersystems.«
Syrtows Zorn erlosch. Seine chronische Angst überkam ihn statt dessen. Er erkundigte sich, welche Befugnisse Papanin brauchte. Die Antwort warf ihn um.
»Persönliche Befehlsgewalt über den Träger Gorki, die Trawler-Flotte K 49 und das Forschungsschiff Revolution …«
»Sie wissen, das hat es noch nie gegeben.«
»Die Situation hat es noch nie gegeben. Der Erste Parteisekretär kann die Einwilligung geben. Deshalb bin ich froh, daß Sie zu ihm gehen.«
»Ich werde mich wieder bei Ihnen melden«, sagte Syrtow kurz. »Setzen Sie in der Zwischenzeit Ihre Vorbereitungen fort.«
»Ist bereits geschehen, einschließlich des Befehls zur Alarmbereitschaft vor neun Stunden ohne Ihre Vollmacht, der uns Zeit von unschätzbarem Wert eingebracht hat…« Mit Genugtuung hörte Papanin das Knacken, als am anderen Ende der Leitung der Hörer aufgelegt wurde. Als er aufschaute, kam gerade Kramer herein, gespannt auf Neuigkeiten. »Schnappen Sie sich Ihre Wärmflasche, Kramer; in vierundzwanzig Stunden sind wir in der Arktis.«
Genau um ein Uhr Sonntag früh knipste in Washington Lemuel Dawes das Licht über seinem Feldbett an, das er in seinem Büro aufgestellt hatte, und sah nach der Uhr. Wie gewöhnlich hatte ihn seine innere Uhr pünktlich geweckt. Er hatte Kopfschmerzen. Kein Wunder – die Hitze, der Mangel an frischer Luft und die tropischen Pflanzen, die zwei Wände fast völlig verbargen, schufen ein Klima, das man nicht anders als ekelhaft nennen konnte. Zehn Minuten später klopfte Adams an seine Tür und kam herein.
»Keine Nachricht aus Helsinki«, sagte er ernst. »Aber das Flugzeug könnte Verspätung haben – vielleicht kommt er noch durch.«
»Sie meinen, wir sollen warten?«
»Ja.«
»Das könnte ein Fehler sein.« Dawes kratzte sein zerzaustes Haar. »Aber im Augenblick können wir kaum etwas daran ändern. Gorow könnte schon auf dem Eis sein, wir könnten jetzt zwar ein Flugzeug nach Target 5 schicken, aber das wäre gewagt.
Falls Gorow noch nicht unterwegs ist, könnte jede ungewöhnliche Bewegung auf Target 5 die Russen aufmerksam machen.«
Während also Beaumont im weitentfernten Curtis Field am Rande der grönländischen Eiskappe vor lauter Ungeduld bereits die Wände hochging und während Dawes auf ein Zeichen von einem Mann wartete, der seit vierzig Stunden bereits tot war, steckte Oberst Papanin mitten in seinen intensiven Vorbereitungen, und es sah so aus, als würde er das Spiel gewinnen, bevor es überhaupt angefangen hatte.
Sonntag, zwölf Uhr mittags, schritt Leonid Breschnew, der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken, in Begleitung von General Boris Syrtow forsch in das Büro von Oberst Papanin. Wie immer trug Breschnew unter seinem Pelzmantel einen eleganten dunklen Anzug. Sein dichtes Haar war tadellos gebürstet. In Detroit hätte man ihn leicht für den Generaldirektor von Ford halten können. Niemand half ihm aus dem Mantel; der Erste Sekretär haßte es, wenn man seinetwegen Umstände machte. Er kam immer sofort zur Sache.
»Papanin, Sie haben die Befehlsgewalt über sechs Schiffe der Trawler-Flotte, über den Hubschrauberträger Gorki und das Forschungsschiff Revolution. Keins von diesen Schiffen wird den Anschein erwecken, daß es sich um ein militärisches
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