Target 5
war und direkt von der Nikolajew-Werft an der Schwarzmeerküste kam, ebenfalls Kurs geändert hatte. »Es fährt direkt auf den Schlund der Eisberg-Gasse zu«, hatte er Adams mitgeteilt und dann sofort ein dringendes Telefongespräch geführt.
Nur dreißig Minuten später war ein unauffällig gekleideter Mann mit Hornbrille in Dawes’ Büro eingetroffen. Der Assistent des Präsidenten, sein engster Vertrauter, hatte eine Viertelstunde lang intensiv zugehört, bevor er selbst redete.
»Lemuel, die Lage ist so: Wenn der Präsident mit den Katharina-Karten in der Tasche zum Gipfeltreffen nach Moskau geht, könnte er aus einer ungeheuer starken Position heraus verhandeln – und die Russen würden vielleicht die Konzessionen machen, die wir von ihnen wünschen…«
Dawes hatte die Vollmacht zu selbständigen Entscheidungen ohne vorherige Rücksprache mit Washington erhalten. »Vorausgesetzt, Sie beschwören keinen internationalen Zwischenfall herauf«, hatte der brillante, in Deutschland geborene persönliche Berater gewarnt. »Das könnte das Gipfeltreffen verderben…«
Dawes dachte an diese Bedingung, als er ein Blatt Papier aus seiner Tasche nahm und es Adams reichte. »Ich habe Ihnen noch nicht den Wetterbericht gezeigt, der soeben durchgekommen ist. Dichter Nebel ist aus dem Nichts aufgetaucht und hat Target 5 völlig zugedeckt. Es sieht so aus, als würde es doch eine Operation Beaumont werden.«
Adams sagte nichts zu dem Wetterbericht, legte nur den Sicherheitsgurt an. Die Boeing, mit der sie flogen, verlor bereits an Höhe, und in der Ferne leuchtete die Doppelreihe der Landebahnlichter durch die weiße Nacht. Die erste, seiner Entscheidungen hatte Dawes getroffen: Er flog an den Rand des Schachbrettes, um sich selbst ein Bild zu machen. Ziel: Curtis Field.
SPIELVERLAUF
Die Eiswüste
Sonntag, 20. Februar
Der dürftige Landestreifen von Nordpol 17 eilte der Bison entgegen. Der Pilot richtete die Nase der Maschine in die Mitte der Lichterreihen, die jetzt zu Bändern ineinander verschwammen. Er drosselte die Maschine und murmelte ein Stoßgebet. Die Bahn war zu kurz für den Bison.
Die Eisfläche flog ihm entgegen, schoß unter ihm davon. Die Räder berührten den Boden, der Bomber schlingerte. Der Pilot knirschte mit den Zähnen und bremste. Schneewolken stoben auf, klatschten gegen die Fenster und vernebelten die Sicht. Eisklumpen bombardierten das Fahrwerk wie ein Hagel von Maschinengewehrkugeln. Die Maschine donnerte weiter, über den Landestreifen hinaus…
»Aufregend, nicht wahr, Kramer?« meinte Papanin.
Kramer in dem Sitz neben ihm war starr vor Angst und verkrampfte die Hände in den Armstützen. Der Sibirier beobachtete neugierig den Balten, der geradeaus stierte, anstatt zu antworten; und das ist ein ausgebildeter Vernehmungsbeamter – der Mann, der in den Keller steigt und aus einem armen, zusammengebrochenen Opfer Informationen herausprügelt! Schwitz du nur, mein kleiner Balte, schwitz nur!
Der Bomber kam nur fünfzehn Meter vor der Katastrophe zum Stehen. »Sie können die Augen jetzt wieder aufmachen, Kramer«, sagte Papanin väterlich.
Er schaute aus dem Fenster, verharrte einen Augenblick erstaunt und schleuderte dann den Sicherheitsgurt beiseite. Bevor die etwa fünfzig Mann der Sicherheitstruppe, die hinter ihm auf dem Deck lagen, in Bewegung kamen, war er an der Tür. Er hatte sie aufgerissen, noch ehe draußen das Bodenpersonal Zeit hatte, eine Metalleiter gegen den Rumpf zu lehnen. Er hing halb aus der Maschine und sah angestrengt in die mondhelle Nacht.
»Ist es fort? Verdammte Scheiße!«
Am Fuße der Leiter angelangt, die Hände tief in den Parka vergraben, feuerte er Dr. Alexej Minsky, dem Leiter der Basis, seinen Fluch entgegen. Minsky war, wie Kramer, klein und gedrungen. Die Schneebrille, die das Mondlicht reflektierte, machte ihn zu einer unheimlichen Erscheinung. Prompt brachte er Papanin in Rage.
»Ist was fort, Herr Oberst?«
»Himmelarsch! Das Flugzeug, das ich gesehen habe, als wir gelandet sind.«
»Es ist nach Westen fortgeflogen…«
»Was ist mit dem Radar? Haben Sie nicht auf den Radarschirm geguckt?«
»Nein, Oberst. Einen Augenblick, ich bin gleich zurück…«
»Vor lauter Angst hat er die Hose voll«, schimpfte Papanin in Kramers Richtung, der hinter ihm die Leiter heruntergekommen war. »Er ist gefährlicher als ein Eisbär – er ist ein Vollidiot! Ab sofort muß Minsky drinnen bleiben.« Die Hände immer noch im Parka,
Weitere Kostenlose Bücher