Target 5
wenn es nur ein Summen war, mußte man ihm intensiv lauschen, sich darauf konzentrieren, damit man rechtzeitig merkte, wann es lauter wurde und näher kam.
Manchmal war es sehr nah, ungemütlich nah, das drohende Schlagen steigerte sich zu einer lauten Kakophonie, die in den Schluchten widerhallte und über die Eiskämme quoll. Es war, mußte Beaumont zugestehen, nur eine Frage der Zeit, bis sie gesehen werden würden – es sei denn, sie hätten unglaubliches Glück. Es war nur eine Frage der Zeit, weil er, trotz häufiger Bitten von Grayson und Langer, sie hartnäckig in Bewegung hielt – und Bewegung kann man aus der Luft gut wahrnehmen.
Die ständige Notwendigkeit zu horchen, wachsam zu bleiben, strengte sie jetzt genauso an wie das Führen der Schlitten; sie zermürbte sie mehr noch, als die eigenen Beine dazu zu bewegen, weiterzulaufen. Um zehn Uhr abends liefen die vier erschöpften Männer wie Roboter, ihre Glieder waren schwer, die Augen fielen ihnen vor Müdigkeit und Kälte fast zu, und Gorow hatte zweimal verlangt, auf einem der Schlitten fahren zu können, da er nicht weitergehen konnte. Beaumonts Reaktion darauf war knapp und deutlich: »Entweder Sie halten mit, oder Sie krepieren auf dem Eis.«
»Aber Sie sind doch meinetwegen hier!« hatte Gorow protestiert, als er neben Beaumonts Schlitten herstolperte. »Sie sind gekommen, um mich zu holen.«
»Darum geht es nicht mehr«, hatte der Engländer ihm scharf geantwortet. »Es geht um das Überleben – also halten Sie mit oder bleiben Sie stehen, mir ist es mittlerweile egal.«
Nachdem Gorow zurückgefallen war, warf Beaumont einen verstohlenen Blick über die Schulter. Der Russe stapfte neben Langers Schlitten her, während Grayson etwas weiter zurück abermals ihre Position zu bestimmen versuchte. Beaumont hatte nicht die Absicht, den Russen stehenzulassen; sollte er zusammenbrechen, würden sie ihn auf dem Schlitten transportieren müssen. Aber offenbar reichte die Aussicht auf einen einsamen Tod auf dem Eis aus, um Gorow auf den Beinen zu halten.
Ihre Nerven und ihre Stimmung litten am meisten unter der Anstrengung. Allmählich wurde es heikel, miteinander zu reden, denn ganz gleich, was gesagt wurde, es war immer falsch. Es war kurz nach zweiundzwanzig Uhr, als Grayson entschied, daß es ihm endgültig reiche, daß das Glück sie verlassen hätte, daß sie diesmal anhalten müßten, bevor Beaumonts Tollheit sie alle vernichtete. Er war gerade damit fertig, den Sextanten auf Langers fahrendem Schlitten zu verstauen. Er lief vor, um Beaumont einzuholen.
»Wieder ein Flugzeug im Anflug – aus dem Osten. Ich werde auf den Eisrücken klettern, um nachzusehen…«
»Heb deine Energie für Wichtigeres auf«, brauste Beaumont auf. »Wir haben noch einen weiten Weg…«
»Es fliegt auf uns zu! Es wird schon lauter. Sollen wir warten, bis das verdammte Biest über uns ist?«
»Jawohl!«
»Aber warum, um Himmels willen?«
Beaumont packte die Lenkstange fester und unterdrückte kaum seine Wut, als er erwiderte: »Weil wir ihr Spiel nicht spielen – Papanins Spiel. Hast du noch nicht kapiert, was hier passiert? Sie fliegen aufs Geratewohl, kreuz und quer über das Eis.«
»Eine davon wird uns entdecken…«
»Wenn sie Glück haben, schon. Aber sie müßten schon verdammt großes Glück haben, um uns hier unten in einer dieser Schluchten zu finden. Dazu müßten sie direkt über uns fliegen. Wenn es dazu kommt, drücken wir uns gegen den Wall, ohne die geringste Bewegung – das habe ich euch schon hundertmal gesagt.«
»Dazu könnte es schon zu spät sein.«
Beaumont atmete tief, sah Grayson voll ins Gesicht und packte mit beiden Händen fest den Schlitten, der seitlich umzukippen drohte. Er redete bewußt kalt und monoton. »Bevor wir anhalten, müssen wir weiter südlich kommen, als Papanin es für möglich hält. Diese Flugzeuge suchen uns zwar, aber sie versuchen auch, uns zu zermürben. Sie wollen uns zwingen, jedesmal, wenn wir eins in der Nähe hören, anzuhalten, damit wir keine Chance haben, die Elroy zu erreichen…«
Beaumont reckte sich, als das Rattern, das er während dieses Wortwechsels schon gehört hatte, zu einem lauten Dröhnen wurde. »Deckung!«
Sie hielten die Hunde an und hockten sich neben sie, um die Tiere zu beruhigen. Als Sekunden später der Lärm des Hubschraubers über ihnen war, warfen sie sich flach auf das Eis. Der höllische Lärm der Motoren machte sie taub. Er flog von Ost nach West, blitzte in einer Höhe
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