Tarzan 04 - Tarzans Sohn
angewidert rappelte er sich zu einer sitzenden Haltung auf. Das Jucken verbreitete sich schnell über andere Körperteile – es war eine Qual, und seine Hände waren auf seinem Rücken fest verschnürt!
Er riß und zog an den Fesseln, bis er erschöpft war, doch nicht ohne Hoffnung, denn er war überzeugt, die Verschnürung durch intensives Bemühen so weit lockern zu können, daß er letztendlich eine Hand herausziehen konnte. Die Nacht brach an, und sie brachten ihm weder zu essen noch zu trinken. Er fragte sich, ob sie etwa glaubten, er könne nahezu ein Jahr von der Luft leben. Die Bisse des Ungeziefers wurden weniger lästig, wenngleich nicht seltener. Der ehrenwerte Morison sah darin einen Hinweis auf Unempfindlichkeit durch eine Art Schutzimpfung und schöpfte Hoffnung. Er arbeitete noch immer an seinen Fesseln, als die Ratten kamen. War das Ungeziefer widerlich genug, so waren die Ratten einfach grauenvoll. Sie huschten quiekend und miteinander kämpfend über seinen Körper. Schließlich begann eine, seine Ohren anzuknappern. Mit einem Fluch richtete sich der ehrenwerte Morison wieder zu einer sitzenden Haltung auf. Die Ratten zogen sich zurück. Er zog mühsam die Beine unter sich, kniete sich hin und stellte sich schließlich mit übermenschlicher Anstrengung auf die Füße. Wie ein Betrunkener hin und her taumelnd und naß vor kaltem Schweiß blieb er stehen.
»Mein Gott, was habe ich getan, daß ich …«, murmelte er und verstummte sofort. Jawohl, was hatte er getan? Er dachte an das Mädchen in dem anderen Zelt dieses verfluchten Dorfes. Ihm wurde zuteil, was er verdient hatte. In dieser Erkenntnis biß er die Zähne zusammen. Nie wieder würde er wehklagen! In diesem Augenblick hörte er ärgerliche Stimmen in dem Ziegenfellzelt gleich neben der Hütte, in der er lag. Eine gehörte einer Frau. War es vielleicht Meriem? Es klang wie Arabisch – und er konnte kein Wort davon verstehen. Der Stimme nach war sie es jedoch.
Er zerbrach sich den Kopf, wie er sie darauf aufmerksam machen konnte, daß er ganz in ihrer Nähe war. Wenn sie seine Fesseln lösen konnte, gelang ihnen vielleicht gemeinsam die Flucht – sofern sie fliehen wollte. Der Gedanke beschäftigte ihn. Er war sich über ihren Status im Dorf nicht ganz im klaren. War sie das Lieblingskind des mächtigen Scheichs, dann war sie wahrscheinlich gar nicht daran interessiert zu fliehen. Das mußte er endlich herausfinden.
Beim Bungalow hatte er Meriem oft God Save the King singen hören, wobei My Dear sie auf dem Klavier begleitete. Er summte die Melodie mit erhobener Stimme. Sofort hörte er Meriem aus dem Zelt heraus schnell etwas sagen.
»Lebe wohl, Morison«, rief sie. »Wenn Gott gütig ist, werde ich noch vor dem Morgen tot sein, denn sollte ich dann noch leben, werde ich schlimmer dran sein, als wenn ich noch heute abend stürbe.«
Dann hörte er einen Mann sie zornig anfahren, danach folgten Geräusche wie von einem Handgemenge. Er wurde bleich vor Entsetzen und riß abermals wie von Sinnen an seinen Fesseln. Sie gaben nach. Einen Augenblick später war eine Hand frei. Die andere von der Fessel zu befreien war das Werk eines Augenblicks. Er bückte sich und löste die Schnur von seinen Fußknöcheln, dann streckte er sich und ging zum Zelteingang, um Meriem beizuspringen. Als er in die Nacht hinaustrat, erhob sich die Gestalt eines riesigen Schwarzen und versperrte ihm den Weg.
War besondere Geschwindigkeit gefragt, dann verließ sich Korak einzig und allein auf die eigenen Muskeln, deshalb stieg er auch, kaum nachdem Tantor ihn sicher auf derselben Uferseite an Land gebracht hatte, wo das Dorf des Scheichs lag, von seinem massigen Gefährten und schwang sich in rasendem Tempo Richtung Süden durch die Bäume zu der Stelle, wo sich nach Angaben des Schweden Meriem befinden mußte. Es war dunkel, als er an den Palisadenzaun kam, der seit jenem Tag, als er Meriem dem elenden Leben innerhalb dieser grausamen Umzäunung entrissen hatte, beträchtlich verstärkt worden war. Der riesige Baum breitete seine Zweige nicht mehr über die hölzerne Sperrmauer. Doch von Menschenhand errichtete Schutzwälle waren für Korak kaum ein Hindernis. Er löste das Seil von seinem Gürtel und warf die Schlinge über einen der zugespitzten Pfosten, aus denen die Palisaden bestanden. Einen Augenblick später schob er den Kopf über die Umzäunung und konnte alles gut überblicken, was dahinter lag. Niemand war in der Nähe zu sehen, also zog er sich
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