Tarzan 04 - Tarzans Sohn
Das Leben dieser ungeheuer großen Tiere lenkte ihn zeitweise von seinem Schmerz ab. Er begann, sie zu lieben, wie er nicht einmal die großen Affen liebte. Ein gigantischer Elefantenbulle hatte es ihm besonders angetan. Er war der Herr der Herde, ein wildes Tier, das gewohnt war, einen Fremden aus geringstem Anlaß oder auch ohne einen solchen anzugreifen. Korak gegenüber war dieser Berg der Zerstörung jedoch gelehrig und zutraulich wie ein Schoßhündchen.
Er kam, wenn Korak rief. Auf einen Wink von ihm legte er seinen Rüssel um den Körper des Affenmenschen und hob ihn auf sein breites Genick. Dort legte sich Korak in voller Länge hin, stieß die Zehen liebevoll in die dicke Haut oder wedelte mit einem Zweig, den Tantor eigens dafür von einem Baum abgerissen hatte, die Fliegen von den zarten Ohren seines kolossalen Freundes.
Und die ganze Zeit war Meriem kaum einhundert Meilen von ihm entfernt.
Kapitel 16
Für Meriem vergingen die Tage in ihrem neuen Heim sehr schnell. Zuerst war ihr nur daran gelegen, im Dschungel nach ihrem Korak zu suchen. Der Herr, Bwana , – sie bestand darauf, ihren Wohltäter so zu nennen – konnte sie jedoch davon abbringen, sofort einen entsprechenden Versuch zu unternehmen, indem er einen Häuptling mit einer Gruppe Schwarzer zu Kovudoos Dorf schickte mit der Anweisung, bei dem alten Wilden in Erfahrung zu bringen, wie er in den Besitz des weißen Mädchen gelangt war und was er über das zurückliegende Schicksal der Kleinen wußte. Bwana schärfte dem Häuptling besonders ein, Kovudoo über das seltsame Wesen zu befragen, welches das Mädchen Korak nannte, und nach dem Affenmenschen zu suchen, sofern er den geringsten Beweis vorfand, auf den sich ein Glaube an die Existenz eines solchen Geschöpfes gründen ließ. Bwana war völlig überzeugt, daß Korak nur ein Produkt des gestörten Vorstellungsvermögens des Mädchens sei. Er glaubte, daß die Schrecknisse und Mühseligkeiten, die sie während ihrer Gefangenschaft bei den Schwarzen hatte ertragen müssen, sowie die schlimme Erfahrung mit den beiden Schweden bei ihr zu einer geistigen Verwirrung geführt hatten, aber als die Tage vergingen, er sie besser kennenlernte und sie unter den alltäglichen friedlichen Bedingungen seines afrikanischen Besitztums beobachten konnte, mußte er einräumen, daß ihre seltsame Erzählung ihn nicht wenig beschäftigte, denn es gab keine anderen Anzeichen, wonach Meriem nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten war.
Die Frau des weißen Mannes, der Meriem den Namen My Dear gegeben hatte, nachdem sie Bwana sie so beim ersten Mal hatte anreden hören, hegte nicht nur deshalb tiefes Interesse an dem kleinen Findelkind des Dschungels, weil es in einer so verzweifelten und verlorenen Situation entdeckt worden war, sondern gewann sie auch wegen ihrer fröhlichen Veranlagung und ihrer natürlichen Reize besonders lieb. Meriem wiederum wurde gleichermaßen durch die Wesenszüge der vornehmen, kultivierten Frau beeindruckt und erwiderte die Zuwendung und Aufmerksamkeiten.
So vergingen die Tage im Fluge, während sie auf die Rückkehr des Häuptlings und seines Trupps aus dem Land Kovudoos wartete. Es waren kurze Tage, denn sie waren gedrängt voll von vielen Stunden geduldiger Unterweisung des ungebildeten Kindes durch die einsame Frau. Sie begann sofort damit, sie Englisch zu lehren, ohne es ihr als Aufgabe aufzuzwingen. Sie lockerte die Unterrichtsstunden mit Instruktionen im Nähen und über gutes Benehmen auf, ohne es Meriem bewußt werden zu lassen, daß dies alles nicht nur Spiel sei. Dies fiel ihr auch nicht schwer, da das Mädchen sehr lernbegierig war. Dann war hübsche Kleidung herzustellen, die an die Stelle des Leopardenfells treten sollte, und sie stellte fest, daß das Kind in dieser Beziehung ebenso wißbegierig und interessiert war wie jedes zivilisierte Mädchen ihrer Bekanntschaft.
Ein Monat verging, bis der Häuptling zurückkehrte – ein Monat, der die wilde, halbnackte, kleine Tarmangani in ein elegant gekleidetes Mädchen von zumindest äußerlich zivilisiertem Aussehen verwandelt hatte. Meriem hatte sich schnell mit den Schwierigkeiten der englischen Sprache vertraut gemacht, denn Bwana und My Dear hatten sich von dem Zeitpunkt an, als sie beschlossen hatten, daß Meriem Englisch lernen müsse, hartnäckig geweigert, Arabisch zu sprechen, und das war bereits ein, zwei Tage nach ihrem Eintreffen auf der Farm gewesen.
Der Bericht des Häuptlings
Weitere Kostenlose Bücher