Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Hochzeitsgeschenke anbieten können. Die Weibchen des Bärenspinners Utetheisa ornatrix paaren sich bevorzugt mit solchen Männchen, die ihnen bei der Paarung zusätzlich zu den Spermien besonders viel von einem bestimmten Toxin, dem Pyrrolizidinalkaloid Monocrotalin, als Hochzeitsgeschenk übertragen. Dieses Gift schützt die Weibchen gegen Fraßfeinde und wird darüber hinaus zum Schutz der Nachkommen in die Eier eingelagert. Bei den Männchen führt sexuelle Selektion zu Verhaltensweisen, die von Konkurrenten und/oder von Weibchen als Signale genutzt werden können, um die Qualität der Männchen zu beurteilen. Bekannte Beispiele sind Imponiergehabe im Vorfeld von Konkurrenzkämpfen, das Singverhalten vieler Vögel und die Zurschaustellung aufwendiger morphologischer Strukturen (Pfauenrad, Kehlsäcke etc.). Wichtig ist, dass diese Signale für den Signalgeber tatsächlich mit Aufwand verbunden sind, also ehrliche Signale darstellen ( honest signalling ), da sie sonst auch von Männchen gezeigt werden könnten, die schwächere Konkurrenten sind.
3.3.7 Chemische Signale in Interaktionen zwischen Organismen
Sowohl in intraspezifischen als auch in interspezifischen Beziehungen zwischen Organismen spielen häufig Signale eine wichtige Rolle, mit deren Hilfe die Akteure sich gegenseitig beeinflussen. Während optische und akustische Signale nur bei bestimmten Organismen auftreten, sind chemische Signale praktischüberall zu finden, sowohl bei Pflanzen und Tieren, aber auch bei Pilzen, Einzellern und Mikroorganismen. Diese natürlich vorkommenden chemischen Verbindungen werden heute meist als Infochemikalien bezeichnet (früher: Semiochemikalien), da der Empfänger mit ihrer Hilfe Informationen erhält, die sich meist auf den abgebenden Organismus beziehen. Infochemikalien werden im Forschungsgebiet der Chemischen Ökologie untersucht, welches nicht zu verwechseln ist mit der Ökologischen Chemie , die sich mit der Untersuchungen von Chemikalien befasst, welche der Mensch in die Umwelt eingebracht hat.
Insbesondere in den letzten Jahren hat die Chemische Ökologie immer mehr Bedeutung gewonnen. Dies liegt zum einen an den immer empfindlicher werdenden chemischen Analysemethoden, zum anderen aber auch an der Erkenntnis, dass chemische Signale bei den meisten ökologischen Interaktionen von Organismen beteiligt sind. Ihre Untersuchung ist daher zum Verständnis von ökologischen Beziehungen unabdingbar. Manche Forscher gehen davon aus, dass jedes Nahrungsnetz, welches zur Darstellung der trophischen Beziehungen von Arten einer Lebensgemeinschaft gezeichnet werden kann, ( Siehe hier ) von einem Infochemikaliennetz überlagert wird, das die von chemischen Signalen vermittelten Interaktionen anzeigt und noch deutlich komplexer ist als das Nahrungsnetz.
Je nachdem, ob der Sender und Empfänger zur selben Art oder zu verschiedenen Arten gehören, unterscheidet man zwischen den intraspezifisch wirksamen Pheromonen und den interspezifisch wirksamen Allelochemikalien (Abb. 3. 13 ). Während Pheromone der Kommunikation zwischen Artgenossen, v. a. im Zusammenhang mit der Paarung oder sozialen Interaktionen dienen, spielen Allelochemikalien v. a. bei trophischen und mutualistischen Interaktionen eine Rolle. Sowohl bei Pheromonen als auch bei Allelochemikalien kann die ausgelöste Reaktion entweder in einer mehr oder weniger sofortigen Verhaltensreaktion ( Releasereffekt ) oder in einer physiologischen Veränderung ( Primereffekt ) bestehen, z. B. der Stimulation oder der Unterdrückung der Ovarienreifung bei manchen Säugerweibchen durch Pheromone von männlichen oder weiblichen Artgenossen. Infochemikalien werden vom abgebenden Organismus entweder neu aus primären Stoffwechselprodukten (Aminosäuren, Lipiden) gebildet ( Denovo-Produktion ) oder aus Vorstufen hergestellt, die mit der Nahrung aufgenommen werden ( Sequestrierung ). Ihre Bildung wird über Hormone gesteuert und hängt stark von exogenen (Tageszeit, Tageslänge, Temperatur etc.) und endogenen (Alter, Fortpflanzungsbereitschaft) Faktoren ab.
Abb. 3. 13 Schematische Einordnung im „Infochemikalienstern“ (nach Lanka). Es werden intraspezifisch wirksame Pheromone (links) von interspezifisch wirksamen Allelochemikalien (rechts) unterschieden ( Siehe hier ). Die weitere Einordnung von Pheromonen erfolgt nach ihrer Funktion, die Unterscheidung von Allelochemikalien basiert v. a. darauf, wer von der Interaktion profitiert, der Sender, der Empfänger oder beide ( Siehe
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