Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Nullwachstumsgerade von B liegt (Abb. 3. 12c ). Die Vektoraddition zeigt, dass das System auf K A zusteuert und dort stabil ist. Umgekehrt gewinnt Art B, wenn K B > K A /β und K A < K B /α.
Unklar ist der Ausgang der Konkurrenz zunächst, wenn K A > K B /α und K B > K A /β. Die Nullwachstumsgeraden schneiden sich und die aus der Addition der Wachstumspfeile resultierenden Vektoren weisen in beide Richtungen vom Schnittpunkt weg, d. h. Art A kann Art B ausschließen oder Art B kann Art A ausschließen. In diesem Fall ist entscheidend, wie groß die anfänglichen Individuenzahlen von A und B waren (labiles Gleichgewicht).
Dauerhafte Koexistenz ist möglich, wenn beide Arten auch bei maximaler Dichte der Konkurrenzart (K A bzw. K B ) eine höhere Dichte aufweisen, d. h. wenn K A < K B /α und K B < K A /β. Unter diesen Bedingungen ist die intraspezifische Konkurrenz größer als die interspezifische Konkurrenz, beide Arten stellen ihr eigenes Populationswachstum ein, bevor es zur Dichteminderung der Konkurrenzart führt.
Das Konkurrenz-Modell von Lotka-Volterra lässt also insgesamt vier verschiedene Lösungen zu: Art A gewinnt, Art B gewinnt, Art A oder B gewinnt in Abhängigkeit von der Anfangsdichte oder Art A und B koexistieren.
Abb. 3. 12 Konkurrenzmodell von Lotka und Volterra.
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Ein Nachteil des Lotka-Volterra-Modells besteht darin, dass die Konkurrenzfähigkeit einer Art nicht vorhergesagt werden kann und erst nach dem Ausschluss der Konkurrenzart darauf zurückgeschlossen wird. Inwieweit sich die Konkurrenzfähigkeit bei veränderten Umweltbedingungen oder in Kombination mit anderen Arten ändert, lässt sich dem Modell nicht entnehmen. Für Prognosen besser geeignet sind Modelle, bei denen sich die Konkurrenzfähigkeit einer Art aus der Wachstumskurve und der Ressourcennutzung ermitteln lässt. Ein Beispiel dafür ist das mechanistische Modell von Tilman . Dieses eignet sich besonders für das Verständnis von Plankton-Gemeinschaften, deren Vielfalt im vergleichsweise homogenen Wasserlebensraum nicht mit demKonkurrenzausschlussprinzip im Einklang zu sein scheint (“ Planktonparadoxon “). Versuche in Chemostat-Kulturen zeigen, dass die Anzahl koexistierender Arten mit ähnlichen Ansprüchen direkt proportional ist zur Anzahl der limitierenden Ressourcen eines Systems. Je mehr limitierende Ressourcen es gibt, desto mehr Arten können koexistieren.
Für die Anpassung der Arten ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Umweltbedingungen konstant oder wechselhaft sind. Die räumliche und zeitliche Heterogenität eines Lebensraumes hat jedoch einen relativen Charakter, sie hängt ganz entscheidend von Größe, Aktionsradius und Lebensdauer des betrachteten Organismus ab: Für einen Käfer verändert sich die Umwelt bereits auf dem kurzen Weg von der Blattoberseite zur Blattunterseite, für einen Vogel oft erst nach weiten Flugstrecken, für eine wenige Tage lebende Art sind jahreszeitliche Temperaturunterschiede belanglos; extrem langlebige Arten, wie viele Bäume, erleben dagegen auch klimatische Änderungen. Bewegt sich ein Organismus durch einen Lebensraum mit geklumpt verteilten Ressourcen, geht die räumliche Heterogenität dabei in eine zeitliche Heterogenität über. Große Ressourcencluster machen eine Wanderung oft überflüssig, dann wird die Umwelt von dem betreffenden Organismus als homogen erlebt. Die zeitliche und räumliche Heterogenität eines Lebensraumes ermöglicht die ökologische Trennung von Populationen und leitet die Artbildung ein ( Siehe hier ). Die Heterogenität eines Lebensraumes steht in einem engen Zusammenhang mit der Artenvielfalt ( Siehe hier ).
Um relative Unterschiede in der räumlichen und zeitlichen Heterogenität von Lebensräumen zu differenzieren, wurden die Begriffe feinkörnig (fine-grained) und grobkörnig (coarse-grained) eingeführt. Feinkörnig ist eine Umwelt mit Veränderungen, die innerhalb der Lebenszeit des betrachteten Organismus auftreten. Dieser zeitliche Begriff lässt sich auch auf räumliche Wechselhaftigkeit übertragen: Sind die Ressourcen innerhalb des Aktionsradius des Organismus heterogen verteilt, stellt sich der Lebensraum feinkörnig dar: Für Weidegänger, wie das Rind, ist eine Wiese feinkörnig, die vorhandenen Nahrungsressourcen werden nur wenig gezielt aufgenommen. Für eine Raupe mit geringem Aktionsradius ist dieselbe Wiese dagegen grobkörnig, die Raupe nutzt oft nur bestimmte Futterpflanzen. Grobkörnig ist also eine
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