Tascosa (German Edition)
spärlich es war. Die zwei einsamen Herzen freuten sich über ihre
Unterhaltung und wurden Freunde.
"Wie warst du als kleiner Junge?"
fragte Amanda und zwinkerte ihm zu.
Er zog den Kräcker aus dem Mund und
antwortete. "Ich? Nun. Nix als Ärger, die meiste Zeit."
"Nun, ja. Erzähl mir mal was Neues ."
Als sie zwinkerte, musste er laut lachen.
"Ich mein, ich war das ruhigste von uns
Kindern. Mit Worten war's wie mit dem Abendessen. Bis ich nach meinen älteren
Brüdern drankam, war nicht mehr viel übrig."
"Ich wette, du hast gebrüllt, wenn's
nötig war." Sie schubste ihn leichtfertig an die Schulter. Und wieder
musste er lachen. Und es wurde ihm klar, dass sie ihn schneller zum Lachen
brachte, als irgendjemand zuvor. Er wusste nur nicht, wie sie das machte.
"Entschuldigen Sie", ein Fremder kam
durch die Tür und unterbrach ihr Gespräch. "Sind Sie Miss Clark?"
"Ja." Amanda stand auf.
"Mr. McLeod hat mich hergeschickt mit ein
paar Sachen für Sie."
"Ja, natürlich." Sie sammelte
schnell die Reste ein und wies hinauf. "Mein Zimmer ist oben links."
Der Mann ging wieder raus und kam mit einem
anderen Mann zurück. Sie trugen zu zweit, jeder an einem Ende fassend, eine
große Truhe herbei und folgten Amanda die Treppe hinauf. Nate bildete das Schlusslicht.
Sie öffnete die Tür und ging hinein. Dabei zeigte sie am Boden auf eine Stelle
für die Truhe. Sie setzten sie vorsichtig ab, tippten an ihren Hut und gingen
davon.
Amanda kniete sich vor die Truhe und öffnete
sie. Sie schob das Decktuch zurück und enthüllte ein traumhaftes, dunkelgrünes
Samtkleid.
"Oh weia!" rief sie als sie es
hochhielt. "So was Elegantes, hab ich ja noch nie gesehen."
Sie stand auf und hielt es sich an. "Oh
weia", sagte sie noch mal, drehte sich herum und posierte für Nate, der am
Türpfosten angelehnt stand. Sie sah wunderschön aus, ihre Augen weit in
unschuldiger Erregung. "Schau doch mal."
Bei diesen Kostbarkeiten biss er die Zähne
zusammen. Es machte ihm Angst, dass er ihr niemals so etwas kaufen könnte. Es
ängstigte ihn sogar mehr, als McLeod es könnte — und hatte. Ein Picknick am
Fluss, wie konnte er an so was denken.
"Also?" fragte sie.
Er nickte nur und sah zu, wie sie das Kleid
vorsichtig über das Fußende vom Bett legte. Sie nahm das nächste aus der Truhe.
Ein dunkellila Seidenteil, mit so vielen Bändern wie er noch nie gesehen hatte,
schimmerte im Licht, das durch das Fenster fiel.
"Ich muss gehen." Er versuchte sich
die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
"Alles klar." Sie konzentrierte sich
auf das Kleid, nicht auf ihn. "Wir sehn uns am Freitag, wenn nicht
früher."
Nate war schon gegangen.
* * *
Als Amanda in dieser Nacht im Bett lag und aus
dem Fenster starrte, ließen ihre Gedanken sie lange keinen Schlaf finden und
ihr Herz war von Sorge erfüllt. In Tascosa bot sich rein gar keine Aussicht auf
eine Anstellung. All ihre Träume und Ideen waren in dieser neuen Stadt schon
nach zwei kurzen Tagen verschwunden. Ihre Erbschaft würde in Kürze dahin sein,
und was dann? Selbst wenn sie eine Familie fände, wo sie wohnen könnte. Sie
würde doch Miete zahlen müssen, und wie sollte sie ihren Lebensunterhalt
verdienen?
Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere
und schlug frustriert auf ihr Kissen ein. Sie seufzte noch einmal und zwang
sich die Augen zu schließen. Schon eine Sekunde später gingen sie wieder auf,
sie konnte sich nicht entspannen. Sie brauchte eine Lösung, einen Plan. Jetzt
sofort!
Anderen die Wäsche machen?
Nein… Noch nicht, jetzt noch nicht.
Im Saloon arbeiten? NEIN!
Sich verkleiden und als Cowboy arbeiten? Ah,
da krieg ich bestimmt einen Tritt an die Birne.
Zwischen all den vielen Stimmen, die in ihrem
Kopf durcheinander purzelten, drängte sich eine in den Vordergrund. Plötzlich
klangen ihr Nate's Worte von gestern im Lokal deutlich im Ohr. Sie hatte ihn
gefragt, "Ja was braucht ihr hier denn nun?"
Jemanden der kochen kann.
Jemanden der kochen kann.
Jemanden der kochen kann.
Ja, DAS isses! Sie sprang aus dem Bett,
rannte quer durchs Zimmer und holte ihr Geld hervor. Sie drehte den Lampendocht
hoch und zählte sorgsam ihre gefalteten Geldscheine. Ob das wohl reicht? Sie
erinnerte sich an eine Predigt, die sie mal gehört hatte. Es ging darum, im
Vertrauen auf Gott einen Sprung ins Ungewisse zu wagen. Sie knüllte die Scheine
in ihre Hände, und streckte sie himmelwärts.
"Nun denn, lieber Gott. Ich werde
springen. Bitte, ach bitte, fang mich auf." Sie
Weitere Kostenlose Bücher