Tascosa (German Edition)
Weil, wenn nicht, übernehm ich
sie." Darüber kicherten ein paar von ihnen, Nate aber nicht. Bevor er was
sagen konnte, kam Amanda herunter. Die Männer wurden still, als sie durch die
Tür sah und ihren Kopf schüttelte. Zu Nate's Überraschung setzte sie sich nicht
zu ihm hin, sondern ging zielstrebig zur Hoteltür und lief hinaus.
"Was macht ihr alle hier? Macht es euch
Spaß mich zu belästigen? Behandelt ihr so alle Neuankömmlinge?" Mit den
Händen auf die Hüfte gestützt, schaute sie jedem in die Augen. "Ja! So
isses?" Sie starrte sie noch ein paar Sekunden an. "Schämt
euch!" Als sie dann zu Nate hineinging, blieb keiner mehr an der Tür
stehen.
"Mann, bist du aber forsch", grinste
Nate sie an.
"Wenn ich hier heimisch werden will, muss
ich das wohl."
Nate studierte einen Moment ihr Gesicht und
stellte dann die Fragen, die ihn quälten seit sie sich gestern Abend begegnet
waren. "Miss Amanda, wo sind deine Leute? Vermissen die dich nicht? Warum
bist du alleine hier? Ich weiß, es geht mich nix an, aber ich mach mir Sorgen
um dich."
"Bitte nenn mich Amanda."
"In Ordnung." Er wartete auf ihre
Antwort.
"Meine Leute sind tot. Nun schon seit
vier Jahren."
"Oh, das tut mir Leid."
"Ich habe bei der Schwester meiner Mutter
und ihrem Mann gelebt. Sie hatten schon das Haus voll und ich war noch ein
hungriges Maul mehr. Es war jetzt Zeit für mich zu gehen."
"Warum bist du ausgerechnet hierher gekommen?"
"Mein Vater hat oft davon gesprochen,
eines Tages nach Texas zu gehen. Er hatte große Träume. Immer wenn er davon
sprach, haben seine Augen glücklich geleuchtet. Nun, als ich mich erkundigt
hab, wie weit ich mit zwanzig Dollar reisen kann, und sie sagten Texas, hab ich
ne Fahrkarte gekauft. Und nun bin ich hier."
"Einfach so?"
"Einfach so."
"Das ist entweder die mutigste oder die
dümmste Sache, die ich je gehört habe." Nate's rechte Augenbraue ging
hoch.
Ihr verblüffter Gesichtsausdruck bremste ihn.
"Es tut mir Leid", sagte er. "Ich hab' einfach noch nie von
einem Mädchen gehört, das — nun — so jung und ganz allein so loszieht."
Jetzt hast du's. Und mutig oder dumm — ich
mein' das wird sich zeigen."
"Gut, was auch immer deine Gründe waren,
ich bin mächtig froh, dass du hierhergekommen bist." Er lächelte sie lieb
an und wünschte — wünschte — wünschte sich alles Mögliche, was aber nicht
angebracht war für die kurze Zeit, die sie sich kannten. Am meisten,
allerdings, wünschte er sich, dass er diese widerspenstige Locke
zurückstreichen könnte, die ihr ständig ins linke Auge fiel. Wenn er sie
einfach nur berühren und zurückstreichen dürfte… aber er wusste, das wäre nicht
genug. Danach würde er gerne ihre Wange berühren, vielleicht mit den Fingern
über diese süßen Lippen streicheln, vielleicht sogar ein zarter Kuss — oder
zwei. Als ihm klarwurde, dass er sie nun schon eine Weile angestarrt hatte, sah
er schnell weg und wusste nicht recht, was er sagen sollte.
"Mein Gott, wie warm das schon wieder
ist", sagte sie, "und ich krieg Hunger."
"Ich auch", kicherte er.
"Ich würde alles geben, wenn ich
schwimmen gehen könnte. Und vielleicht ein Picknick im Schatten unter einem
Baum, wo eine leichte Brise weht."
Nate könnte sich in den Hintern beißen, weil
er so pleite war. Wenn er Geld hätte, würde er einen Wagen mieten, mit ihr zum
Fluss fahren, und ein Picknick mitnehmen. Nächsten Zahltag. Am nächsten Zahltag
würde er nicht in diesen verfluchten Saloon gehen und den Streitereien
ausweichen. Nächsten Zahltag würde er um sie werben. Und bis dann…
Kapitel 4 — Koch
Amanda stand auf. "Ich hab im Zimmer was
zu essen. Ich geh's schnell holen."
"In Ordnung", Nate stand auch auf.
"Ich sollte mich sowieso davonmachen."
"Musst du wirklich gehen? Kannst du nicht
noch ein bisschen bleiben?"
"Könnte schon. Ich will nur nicht deine
Vorräte essen."
"Mir wär' lieber du bleibst." Sie
klopfte ihm auf die Schulter. "Bitte?"
Er wunderte sich, wieso ihm von so einer
leichten Berührung so heiß werden konnte. "Na gut, du hast mich
überredet." Nate setzte sich wieder hin und wartete; sie kam mit einem
kleinen Bündel zurück.
"Schaun wir mal", sagte sie und
öffnete es. "Ich hab ein paar Kräcker — hier ist noch Hühnchen von gestern
vom Abendessen. Da ist ein Apfel." Sie hielt ihn hoch. "Hast du
vielleicht ein Messer?"
Er nickte und griff in seine Hosentasche. Kurz
darauf hatten sie ihr kleines einfaches Mahl miteinander geteilt. Es fiel ihnen
nicht auf, wie
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