Tascosa (German Edition)
besaß auch noch
die Frechheit, sie zu tragen!
Auch nicht bevor sie die sechs Kinder bekommen
hatte, war Estelle jemals eine Frau gewesen, von der die Männer Notiz nahmen.
Dünn, mit rauen, wenig feinfühligen Händen, war sie aus einfachem Holz
geschnitzt und lebte ein hart erkämpftes Dasein. Zu sehen wie Amanda so viel
Aufmerksamkeit und Zuwendung fand und so viele Auswahlmöglichkeiten hatte,
ärgerte Estelle ungemein und weckte bodenlose Eifersucht in ihr. Durch die
Anwesenheit dieser jungen Frau, wurde die Feier für Mrs. Richards zu einer
Geduldsprobe. Zur Belustigung ihrer Freundinnen verlangte die eingeschworene
Alkoholgegnerin ein Glas Sherry.
* * *
Den ganzen Abend über blieb Brian in Amanda's
Nähe. Beim Essen saß sie zu seiner Linken und gebrochenes Licht glitzerte von
den Ohrringen, die an ihrem Hals lagen. Hingegen Amanda wirkte den ganzen Abend
über zerstreut. Sie starrte oft ziellos im Raum umher und jetzt spielte sie
gedankenverloren mit dem köstlichen Essen auf ihrem Teller.
"Amanda!" Die Schärfe in Brian's
Stimme brachte sie in die Wirklichkeit zurück.
"Ja?" Sie blickte ihn an. Als ihr
klar wurde, dass er eine Weile mit ihr gesprochen haben musste, fügte sie
hinzu, "Du hast gesagt?"
"Ich habe dich gefragt, wie sich dein
neues Dach bei dem Schnee hält."
"Es geht ihm prima."
"Alles in Ordnung bei dir?" Er
schaute finster drein und nahm ihre Hand.
"Mir geht's gut."
"Wirklich? Du scheinst in Gedanken
woanders zu sein."
"Meinst du? Tut mir Leid. Ich bin nur
etwas müde. Das ist alles." Sie lächelte und hoffte, dass er ihr glauben
würde. Sie wollte Brian nichts von Nate's Besuch sagen. Sie wollte niemandem
was sagen. Noch nicht. Für's erste sponn sie sich in ihr silber-seidenes
Geheimnis ein. Jede Berührung, jeder Streichler von Nate's Händen hatte ihrem
Herz sein Brandzeichen aufgedrückt, und ihre Haut brannte noch vom Feuer.
"Brian, das ist so 'ne schöne Party", sagte sie um das Thema zu
wechseln.
"Die Party ist schön, weil du hier
bist." Brian hob ihre Hand zu den Lippen. Seine Augen spiegelten tiefere
Gefühle wider als ihr recht war. Sie entzog ihm sanft die Hand, nahm ihr
Weinglas und trank einen Schluck.
* * *
Nach dem Essen nahmen die Männer wie üblich
ihren Brandy und Zigarren im Esszimmer ein, während die Frauen in den Salon
gingen.
Die Frauen begannen eine höfliche Unterhaltung,
wobei die eine oder andere sogar eine Frage an Amanda richtete. Allerdings
schlug das Gespräch sehr bald zum Lieblingsthema um — Klatsch und Tratsch.
Amanda saß am einen Ende des Raums, hörte schweigend zu und fühlte sich — wieder
mal — ausgeschlossen. Zeitweise ging es lediglich darum, die neuesten
Neuigkeiten auszutauschen. Aber der Rest waren boshafte Unterstellungen.
"Mrs. X konnte es zwar nicht beschwören,
aber sie war ziemlich sicher, dass Rancher Soundso am vergangenen Wochenende zu
besoffen war, um den Heimweg zu finden. — Und habt ihr ihre Blutergüsse
gesehen? — Wenn wir grad bei den Ehefrauen sind, ich glaub Miss Q wird diesen
Arbeiter von der LS-Ranch heiraten müssen . Wie schrecklich ."
Und so ging es immer weiter. Sie zogen über
jede Unzulänglichkeit her, wahr oder erfunden. Sie erinnerten Amanda an eine
Katzenbande, die sich durch einen Müllhaufen wühlt und genussvoll zu schnurren
beginnt, wenn sie ein besonders ekliges Stück verdorbenes Fleisch findet.
Als das Gespräch abebbte, sah Estelle zu
Amanda herüber.
"Ich denke, Sie wissen über Brian's
verstorbene Frau Bescheid?"
"Carolyn? Was ist mit ihr?" Im Laufe
des Abends hatte Amanda gesehen, wie Estelle ihr und Brian immer wieder wütende
Blicke zuwarf, obwohl sie nicht wusste warum. Es überraschte sie, dass Estelle
jetzt mit ihr sprach.
"Wie sie gestorben ist."
"Sie ist die Treppe runtergefallen und
war tot." Amanda ärgerte sich über sie, weil sie ein so makabres Thema
ansprach.
"Oh, da ist viel mehr als das
gewesen", stimmte Gertie mit ein.
Bevor Amanda was dazu sagen konnte, stürzte
sich Estelle auf die Geschichte.
"Brian hat immer Kinder gewollt. Er wurde
immer wütender, als seine Frau ihm keine geben konnte." Sie sah Amanda an,
um sicher zu gehen, dass sie auch zuhörte. Dann senkte sie verschwörerisch ihre
Stimme. "Eines Nachts kam er besoffen aus dem Saloon heim und sie hatten
einen wirklich heftigen Streit darüber. Ich will ja nicht sagen, dass er sie
die Treppe runterge stoßen hätte, aber..." Sie lehnte sich in ihrem
Stuhl zurück, reckte ihr
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