Tastenfieber und Liebeslust
uns, doch zusammenzufinden. Was wir beide an Interessen nicht teilen können, können wir bei anderen Menschen, mit Freunden und Kollegen finden. Allerdings muss ich sagen, dass in meinen vorherigen Beziehungen die Interessen immer übereinstimmten, sodass mir die von mir soeben entworfene Theorie eigentlich neu und fremd ist. Aber ich habe das Gefühl, dass Du ein wunderbarer Liebhaber werden könntest. Und habe Sehnsucht nach Dir. Wenn ich mich verliebe, taucht immer Skepsis in mir auf. Schrecklich! Ob das noch von meiner ersten großen Liebe bzw. Enttäuschung durch Markus herkommt? Ich weiß es nicht. Ist es ein Defekt oder eine Stärke? Oder meine Rettung? Vielleicht versteht man sich selbst ein ganzes Leben lang nicht.
»Ich weiß im Moment nur, dass ich Dir immer sehr nahe sein und Dir auch eine Stütze sein möchte.« Das möchte ich auch Dir sein.
Die allerzärtlichsten Küsse hinter Dein rechtes Ohr.
Deine Eva
2. April – 10:43 Uhr
Du Nachteule,
lass uns nicht lang und breit über Liebe diskutieren. Anders als im Griechischen können in unserer Sprache Gefühle leider nicht differenziert formuliert werden, da wir weder zwischen agape, eros, phili oder stoika begrifflich unterscheiden.
Zumindest habe ich das jetzige Gefühl noch nie erlebt, es ist auch nicht mit der testosteronlastigen Emphase der Jugend- und Studentenzeit vergleichbar. Mit mir kann man kaum streiten. Es gibt aber einen Punkt, bei dem ich ungemütlich und wohl auch unerträglich werde. Ich will es nicht abstrakt erklären, sondern an einem Beispiel.
Verachen, meine frühere Freundin hatte mal von ihren Abtreibungen gesprochen. Ihre 68er Sprüche wie: ›Mein Bauch gehört mir‹ und ›Man muss sich doch selbst verwirklichen‹ haben mich abgestoßen! Ich habe mich ereifert, nicht weil ich im Embryo schon göttliches Leben sehe, sondern weil Verachen zwar menschen- und tierlieb, auch fürsorglich, aber dennoch nur eine Konsumentin ist, die sich von einem Kind nicht einschränken lassen will. Kleidung, Reisen, Haus, Garten und Sex sind eben wichtiger. So wie der typische 68er: Audi A 4 bis A 6 (BMW und Mercedes sind zu bürgerlich), Haus in der Toskana, promisk und Steuerhinterziehung, da man den Staat verachtet. Ich weiß, ich vereinfache.
Warum war ich gestern nicht verärgert, als Du von Deiner Abtreibung sprachst? Weil Du Verantwortung übernimmst und anderen etwas gibst, durch Deine berufliche Tätigkeit im Großen und durch Deine liebevolle Fürsorglichkeit im Kleinen. Kein Mensch kann allen Anforderungen zugleich gerecht werden. Kinder kriegen und aufziehen, berufliche Erfüllung und Erfolg finden, liebenswerte, aber gescheiterte Künstler unterstützen und ihnen bis zum Tode zur Seite stehen etc. Genauso wie eine Mutter Verantwortung übernimmt und einen Teil ihres Lebens und ihrer Kraft den Kindern schenkt, also eine soziale Aufgabe erfüllt, genauso ist Dein Leben und Denken (auch) von Güte und Verantwortung für andere getragen.
Wenn nicht die absolute Mehrheit einer Gesellschaft Verantwortung übernimmt und von Mitgefühl (auch gegenüber ehemaligen Bettgenossen / -genossinnen) bestimmt ist, ist ein Gemeinwesen krank, kalt, egoistisch und dem Untergang geweiht.
Mein liebes Evachen: Ich weiß nicht, ob ich intelligent und gütig bin. Auch nicht, ob ich verantwortungsvoll (sowieso nicht immer, aber mehrheitlich würde mir schon reichen) gelebt habe. Aber ich weiß, dass ich gütig sein möchte und dann, wenn ich gefordert werde, auch für andere da sein will. Ich habe ein wunderschönes, erfülltes Leben geführt und möchte auch gern andere daran teilhaben lassen.
Dies war mein Wort zum Sonntag! Du weißt nun etwas genauer, was mich leitet, prägt und Bedeutung für mich hat.
Dein alter Verbindungschläger
PS: Verantwortung hin oder her: Ein guter Liebhaber wäre ich sehr gern! Es macht mir so wahnsinnig viel Spaß, mit Dir im Bett zu kuscheln. Zu unseren Unterschieden: Ich denke, dass genau die das Feuer zwischen uns entflammt haben.
2. April – 13:59 Uhr
Lieber Max,
»Lass uns nicht lang und breit über Liebe diskutieren« schreibst Du, obwohl Du doch merken konntest, dass das gestern Nacht ein großes Bedürfnis von mir war. Du lehntest das ab, ich hatte es zu akzeptieren – basta. Dabei ist das das wichtigste Thema überhaupt!
Mein Kopf brummt, die Nase läuft usw., deshalb werde ich Dir zu Deiner letzten Mail erst antworten, wenn ich wieder besser drauf bin. Bis
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