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Tastenfieber und Liebeslust

Titel: Tastenfieber und Liebeslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Mascha Blankenburg
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war ich mal so richtig glücklich, weil meine anderen drei Kinder mehrere, sehr witzige Sketche aufführten. Die Gäste bogen sich vor Lachen. Ich war stolz auf die Kinder, vor allem aber glücklich, weil die Jüngeren alles taten, um ihrer Schwester ein schönes, unvergessliches Fest zu bereiten. Diese Harmonie und Liebe unter den Kindern hat mich überwältigt. Aber trotz dieser großen Freude, war ich äußerlich ganz still und ruhig. Also: Keine Gefühle zu zeigen oder nur sehr dezent, heißt nicht, keine zu haben!
     
    Ich hoffe, Du hast mit meinem Sermon über Abtreibung verstanden, dass ich nicht über junge Mädchen in fast hoffnungsloser Lage sprach, sondern nur meinen Kommentar über die lust-, sex- und konsumbesessenen 68er abgab. Dieser Schuh passt Dir nicht, also ziehe ihn Dir bitte auch nicht an.
     
    Ich träume dauernd von Mecklenburg! Unsinn! Natürlich von Dir und von unserer gemeinsamen Zeit dort. Aber ich habe einen Denkfehler gemacht, als ich sagte, immer wenn wir einen Nikotinjapp haben, gehen wir ins Bett. Und was ist, wenn wir unsere Sucht überwunden haben? Irgendwas habe ich falsch gedacht. Weißt Du denn die Lösung? Küsschen überallhin. Wenn Du eine Freundin von Spargel bist, könnte ich Dir heute Abend ein kleines Essen bereiten, damit Du nicht ganz vom Fleische fällst.
    Deine alte Schublade
     
     
    2. April – 16:28 Uhr
    Lieber Max,
    ich glaube, es wäre gar nicht so schlecht, wenn ich etwas vom Fleische fiele. So fünf Kilo könnten es durchaus sein.
    Wann also wirst Du kommen?
    Mein Bruder war auch allergisch gegen die 68er. Blankes Entsetzen, als Fischer und Schröder an die Macht kamen! Ich glaube, sein Weltbild erlitt einen Riesenschock. Einige Deiner Sätze könnten auch aus seinem Munde stammen. 68er-Sprüche sind ihm ein großes Reizmittel. ›Mein Bauch gehört mir‹ oder ›Man muss sich selbst verwirklichen‹ zitiert er mit Abscheu in Zusammenhang damit, dass Verantwortung für Gemeinschaft höher stehe. Das aber sind für mich nur Sprüche! Die edlen Ansprüche, die so vielen unserer Politiker so leicht von den Lippen fließen kann ich kaum ertragen, zumal sie sich mit der, von Dir zitierten Steuerhinterziehung bestens auskennen. Oder liest Du keine Zeitung? Jede Revolution kreiert Parolen. Das müsstest Du, in Geschichte so bewandert, besser wissen als ich. Sonst ist der Mehrzahl der Menschen ja nicht klar, worum es geht! Mir ist wichtig, welches Anliegen hinter diesen Parolen steht.
    Die 68er waren mutig und wild, leidenschaftlich, entlarvend, ehrlich und zukunftsweisend. Dass sie fast alle heute so leben, wie sie es damals verurteilten, ist vielleicht zu verstehen, da fast alle Menschen ab einem gewissen Alter von Sicherheitsdenken geprägt sind und Angst vor Freiheit und vorm Altwerden haben. Der Mensch an sich ist eben schwach. Die betriebsbedienende Masse scheut sowohl Aufklärung wie Veränderung. Das ist schrecklich traurig und wunderbare Menschen sind an dieser Starre gescheitert. (Galilei, Giordano Bruno, Jeanne d’Arc, die ganzen Heiligen, Trotzki und Tolstoi, Rosa Luxemburg u. v. a.). Das Rebellentum ist nun 40 Jahre her, und die heutige Gegenbewegung, das ganze Angepasstsein und die Konsumgläubigkeit mit Sprüchen wie ›Geiz ist geil‹, die stets beschworene ›Lebensqualität‹ oder der Anspruch auf ›guten Service‹ sind mir zuwider. Ebenso das neue, so innig vorgetragene Sicherheitsdenken und die Jagd nach dem ›schnellen Geld‹.
     
    Eigentlich bin ich gar keine 68erin, sondern eher eine Anarchistin. Dennoch bin ich von dieser Zeit geprägt. Mein Ex-Mann und Heinrich hatten damals sehr großen Einfluss auf mich. Grenzen akzeptiere ich nur dann, wenn ich einen Sinn in ihnen sehe. Nicht per se, nicht weil man das eben so tut. Auch bin ich keine Freundin von Ideologien. Von gar keiner. Auch die Religionen mit ihren Richtlinien, Dogmen, Zeigefingern können mich nicht unkritisch machen, schließlich wurde ich acht Jahre in einer Klosterschule unterrichtet. Ich hinterfrage alles und glaube niemandem. Lieber überzeuge ich mich selbst. Das geht sogar so weit, dass ich Dir natürlich nicht glaubte, dass Mecklenburg nördlich von Berlin liegt. Ich musste das sofort nach unserem Telefonat im Atlas überprüfen! (Um mal wieder ein Scherzlein zu machen!)
     
    Zu Deiner Frage: »Was ist, wenn wir unsere Nikotinsucht überwunden haben?« Das ist ja das Schreckliche. Es ist wie bei den trockenen Alkoholikern. Ob Dich das irgendwie beruhigen kann?
    Sei

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