Tastenfieber und Liebeslust
zu.
Apropos Essen: Meine Mutter erzählte, dass mir Großmutter in den Nachkriegsjahren jeden Bissen zusteckte und behauptete, gar keinen Hunger zu haben. Während ich wohlgenährt und dick auf ihrem Arm saß, wog sie noch 45 Kilo.
Also, lieber Cavaliere, hier wird vollkommen klar, warum ich nicht kochen lernte. Die Realität hatte nie die gleiche Wirkung wie die bunten Blumen der Fantasie. Aber das wird ja jetzt mit Dir ganz anders.
Ich umarme Dich!
Eva
1. April – 21:41 Uhr
Evachen,
Du verwöhnst mich nicht nur im Bett, sondern schon mit der Anrede! Ich fühle mich nicht als liebes Wesen. Ich freue mich aber natürlich, wenn ich es für Dich bin.
Die Beschreibung Deiner Großmutter ist nicht nur sehr liebevoll, sondern auch amüsant und unterhaltend. Wenn Deine gesamte Autobiografie diese Empathie zu Menschen atmen sollte, wird sie Dir sicher aus der Hand gerissen.
Ich denke im Moment sehr über unseren Raucherentwöhnungstrip in Mecklenburg nach. Was hältst Du von 10 -14 Tagen Ende April bis Anfang Mai? Wir mieten uns eine Ferienwohnung oder ein Häuschen in idyllischer Lage. Ich bekoche Dich täglich, erziehe Claudio in einer Form, dass selbst Deine Großmutter ihn zu Tisch bitten würde, und mache Dir den Hof. Du revanchierst Dich, indem Du mich nachsichtig und verständnisvoll in die göttliche Musik einführst und nach dem Essen die vielen Teller und Töpfe saubermachst.
Immer wenn wir ein Japp auf Nikotin haben, gehen wir ins Bett! In der jappfreien Zeit sehen wir uns Klöster, Kirchen und die schöne Landschaft an oder machen Spaziergänge im Wald, Rad- oder kleine Rudertouren. Was denkst Du über meinen Vorschlag? Wir dürfen uns mit unserer Nikotinsucht nicht zerstören! Wir könnten bei guter Gesundheit und Vitalität nicht nur für uns selbst Lebensqualität gewinnen, sondern auch vielen Menschen Freude bereiten und Hilfe bieten. Haben wir bei den Anlagen, die uns in die Wiege gelegt wurden, nicht auch die Pflicht, an andere zu denken? Evachen, ich liebe Dich!
Dein Carissimo
SO: NACH ALL DIESEN BESSERWISSERISCHEN BEMERKUNGEN MACHE ICH MICH NUN ZUM NÄCHSTEN ZIGARETTENAUTOMATEN AUF DEN WEG!
2. April – 01:50 Uhr
Amore,
ich fände es besser, wenn Du mit dem Lieben noch etwas warten würdest, denn was passiert, wenn wir uns nach drei Tagen im tiefen Mecklenburger Wald nicht mehr vertragen? Ich bin immer etwas skeptisch in Liebesangelegenheiten! Dafür kann ich – laut meiner Sternenkonstellation – aber nichts. Dann kommt auch noch die Erfahrung dazu, dass zu viel Nähe mit einem Menschen, den man noch nicht lange kennt, leicht zu Entfernung führen kann. Und das möchte ich ganz und gar nicht.
Da Du mir gesagt hast, dass Du noch nie eine Frau so geliebt hast wie mich, frage ich mich, was da jetzt anders ist. Hast Du immer eine Mauer um Dich gebaut? Oder hattest Du Angst vor Verlust der Kontrolle? Oder wolltest Du immer der Stärkere und Klügere, der Überlegenere sein? So wie bei Deiner Frau? – Oder ließ Dich weibliche Hingabe, vielleicht Weiblichkeit überhaupt kalt in Deinem Männerclub? Du wirkst oft so kühl, so sachlich, so wenig über Deine Gefühle reflektierend. Wenn Du aus Deinem Leben, von Deiner Ehe erzählst, klingt das so emotionslos, distanziert, obwohl Du ja immer mit Achtung über Deine Exfrau berichtest. Warum fällt es Dir nur so schwer, frei über Deine Gefühle zu reden?
Du bist sehr männlich sozialisiert, ich bin durch viele Jahre der Frauenbewegung klüger (wer weiß?), den Männern gegenüber kritischer und auf jeden Fall autonomer und selbstsicherer geworden. Du wirkst manchmal auf mich wie ein Patriarch – ich aber war und bin noch immer eine Rebellin und habe genug von der Männergesellschaft. Ach, Max, hoffentlich geht das gut mit uns! Um ehrlich zu sein: Ich wünsche es mir. Wie aber soll das klappen?
Ich fühle neben Deiner Klugheit auch Dein fürsorgliches Wesen, also nicht nur Deinen Geist etc., Kochen ist die weibliche Seite in Dir, auch wenn Du das anders sehen solltest. Ich spüre auch, dass Du sehr stark bist, fühle Deinen Willen, Mut und Deine Entschlusskraft … Ja, da sind sie schon wieder, die ›männlichen Eigenschaften‹. Obwohl – das ist ja alles nur Klischee und Schublade. – Also vergessen wir es wieder.
Ich habe mich auch in Dich verliebt. Aber ich weiß, dass unsere Interessen, unsere Lebensgestaltung, Wahrnehmung von Welt und Kunst weit voneinander entfernt liegen. Aber vielleicht gelingt es
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