Tastenfieber und Liebeslust
Totalität und Ausschließlichkeit verstehen, dann können wir doch immer noch neu anfangen.
Du inserierst, und ich melde mich als Bewerber im concours d’amour um Dich. Sollte ich das Rennen gewinnen, dann werden wir uns darüber klar sein müssen, dass wir in anderer Form miteinander umzugehen haben.
Bussilein, überallhin.
Dein Teufelchen
PS: Sollten wir doch noch eine klitzekleine Chance sehen, dann dürfen wir den Kontakt auf keinen Fall abbrechen.
25. Juli – 14:04 Uhr
Mein Nachtgebet,
ich wollte Dir noch sagen, dass die Bücher, die Du für mich ausgesucht hast, mir gut gefallen. Grazie mille.
Du hast das Säckchen mit den Paprikas liegen lassen. Nachdem ich Dich nun schon etwas länger oder besser kenne, muss ich sagen, dass Du ein richtiger Schusselpeter bist. Ich dachte anfangs, Du seist total korrekt und geordnet.
Ich bin so froh, dass wir uns versöhnt haben! Du bist sooo süß und hingebungsvoll, und nun ist wieder die Dauersehnsucht in mir ausgebrochen nach Deinen Augen, Deinen streichelnden Händen und Deinem schönen, dunklen Schwanz. So kann es doch nicht weitergehen! Es stellt sich immer noch keine ›Normalität‹ ein! Ich denke nur an Dich. Aber es ist eben, wie es ist.
»Man muss Kompromisse (zusätzlich zur Liebe oder wegen der Liebe) machen. Wenn man eine gewisse Altersweisheit hat, weiß man das alles.«
Wenn Du diesen Satz ernst gemeint hast, dann werden Deine Sexmails in Zukunft sicherlich unterbleiben. Nicht wahr?
Und noch einen Satz zu Deiner selbst ernannten Altersweisheit: Du hast dabei nicht bedacht, dass ich ja ein halbes Jahr älter bin als Du.
con amore la tua Eva
25. Juli – 14:38 Uhr
Amore,
Du bist für mich alles, viel mehr als nur ein Sterngebet und Nachtgemahl. Du bist nämlich beides, mein Nachtmahl. Ich habe deshalb immer Appetit auf Dich, in den letzten Tagen waren die Augen allerdings etwas größer als der Magen, und so muss ich erst alles (mit Genuss an den himmlisch gewürzten Speisen) verdauen. Aber Hunger und Durst nach dem nächsten Mahl kommt so sicher wie ein Ave Maria. Ich bin in zwei Stunden da, vielleicht auch schon wieder mit gesegnetem Appetit.
Dein Schlingelchen
PS: Hier die erste Antwort auf meine Annonce:
22. Juli – 11:58 Uhr
Sehr geehrter Inserent,
Ihre Anzeige hat mich angeregt und ermutigt, Ihnen zu schreiben. Ich bin eine kinderlose Witwe (57/160), aber sehr kinderlieb und aus kinderreichem Elternhaus. Mit meinem Mann habe ich viele Jahre mit zahlreichen Kindern in einer Art SOS-Kinderdorf zusammengelebt. Ich bin Diplom-Soziologin und war fast immer im psychosozialen Bereich in konzeptionell-administrativer Funktion in Berlin berufstätig.
Meine Interessen und Aktivitäten sind sehr zahlreich. Zurzeit renoviere ich mein Landhaus in der Nähe von Potsdam, daher könnte es sein, dass ich schon morgen oder übermorgen vom Netz bin, weil das Zimmer dann ›dran‹ ist. Wenn ich nicht in Haus und Garten ackere, lese ich viel, mache Fahrradtouren, wandere oder gehe meinen vielfältigen kulturellen Interessen nach. Meine Erfahrung ist allerdings, dass es nicht darauf ankommt, ob man die gleichen Interessen hat. Hauptsache, es gibt Gemeinsamkeiten und gegenseitige Wertschätzung. Mein Mann interessierte sich z. B. gar nicht für Kultur und Radfahren, dafür umso mehr für Segeln und handwerkliche Tätigkeiten. Das hat unserer Beziehung keineswegs geschadet. Ich lebe in Wilmersdorf, wo ich auch arbeite. Wenn Sie mich erreichen wollen, meine Handy-Nr. ist: 0162 – 3345891
Ich antwortete Ihr so:
23. Juli – 07: 14 Uhr
Liebe …,
(haben Sie keinen Vornamen? Dies ist doch sehr selten und nach meiner oberflächlichen Kenntnis des bundesdeutschen Namenrechts nicht zulässig!). Jedenfalls vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wenn in den nächsten Tagen das so und sovielte Zimmer dran ist, scheinen Sie sich ja auch an handwerklichen Tätigkeiten erfreuen zu können. Wie viele Zimmer harren denn noch der fürsorglichen Pflege?
Ich hatte nicht erwartet, dass die Marktlage für ungebildete, denkfaule und komplexbehaftete kinderreiche Großväter so günstig ist. Da sich Gegensätze ja anziehen sollen (wo ich das gelernt oder gelesen habe, weiß ich nicht mehr), hatte ich mir beim Verfassen des Anzeigentextes eben gedacht, ich suche einfach eine umfassend gebildete, selbstbewusste und wissensdurstige Dame.
Ob die große Zahl der Zuschriften wohl mit der allgemein verbesserten Konjunktur zusammenhängt? Denn
Weitere Kostenlose Bücher