Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
wirft einen Blick über seine Schulter, wo eine Gruppe ähnlich mickriger Kinder steht, von denen mich die Hälfte auf dieselbe Art anstarrt wie er … und die andere Hälfte Christina auf eine ganz andere Art anstarrt.
»Kann ich dir helfen, Kumpel?«, frage ich und möchte mich einfach nur wieder Christina zuwenden, um zu Ende zu bringen, was ich angefangen habe, bevor unsere anderen Freunde hier auflaufen.
»Bist du der Typ, der diese Böller aus Red Bull und Essstäbchen gemacht hat?«, platzt er heraus.
Das war bloß ein kleiner Streich, eine Erfindung, die ich mir ausgedacht hatte, um den ersten Tag meines Junior-Jahres zu feiern, um ein paar anhaltende Erinnerungen zu schaffen – und eine Menge Chaos. Mittlerweile hat die Sache Kultstatus, und mir eilt der Ruf voraus, ich könne Sprengstoff aus völlig un explosivem Material herstellen, was ziemlich cool ist, aber nichts, womit ich öffentlich angeben könnte.
»Kumpel. Ich werde meine Beteiligung an diesem Vorfall weder bestätigen noch leugnen.« Ich zwinkere ihm zu.
Sein Gesicht hellt sich auf wie eine Salpeterflamme und mit quietschender Stimme sagt er: »Ich hab gehört, du bist so was wie ein moderner MacGyver. Du warst das auch mit dem Luftschlangenspray mit Düsenantrieb in Ms Ganswicks Büro, oder?«
Ja, das war ich. Acrylharz mit Sorbitantrioleat und tonnenweise Treibgas wie Dichlorfluormethan mischen – was sich praktischerweise alles in Dads Labor erbeuten lässt –, und schon hat man eine hervorragende Rache an einer Lehrerin zusammengebraut, die einem eine schlechte Note gibt, bloß weil ihr deine Ansichten zu nuklearer Energie oder sonst was nicht gefallen.
Heimlich knufft Christina mich in den Arm. Sie hatte mir gesagt, dass diese Geschichte die Runde machen würde, und sie hatte recht.
»Ich hab keine Ahnung, wovon du redest«, behaupte ich, kann aber ein Lächeln nicht unterdrücken. Das war echt ein krasser Streich, wenn ich das mal sagen darf.
Das scheint Mondgesicht auch zu denken. »Kannst du’s mir beibringen?«
Die Frage wird mir mindestens alle paar Wochen mal gestellt. Meistens von so dämlichen kleinen Typen wie diesem hier. »Tut mir leid«, sage ich mit bedauernder Stimme, was schwer ist, weil Christinas Hand unter dem Tisch meinen Oberschenkel drückt. »Im Moment bin ich komplett ausgebucht.«
Der eifrige Funke in seinen Augen erlischt, doch als er sich umdreht, kann ich mich nicht zurückhalten, packe ihn am Arm und flüstere: »Puderzucker und Wurzel-Ex. Mischen und anzünden. Viel Spaß.«
Er rennt los, um sein neu erworbenes, verbotenes Wissen mit seinen Freunden zu teilen. Sie sind drauf und dran, sich einen unbeschreiblichen Ärger einzuhandeln, denn ich habe ihnen gerade ein harmloses kleines Rezept für eine schnelle und dreckige Rauchbombe geliefert.
Gerade als ich den Arm um Christina lege, setzt sich Will uns gegenüber. Er hat ein Tablett vor sich, auf dem sich ein Berg in Ketchup ertränkter Pommes türmt. Seine Augen treffen meine und sein Blick ist voller Erwartung. Den Bruchteil einer Sekunde später bemerke ich seinen neuen Haarschnitt. Seine haselnussbraune Kopfhaut ist glatt und glänzend, abgesehen von dem fünf Zentimeter breiten Streifen kurzer schwarzer Haare, der genau in der Mitte verläuft.
»Heilige Scheiße. Du hast ja einen Irokesen.« Ich greife rüber, um ihm den Kopf zu tätscheln. »Deine Mom hat doch bestimmt einen Anfall gekriegt, als sie das gesehen hat.«
Er lacht und fährt sich mit der Hand über den Kopf. »Könnte sein, dass sie ein paar ausgewählte Worte darüber verloren hat. Vor allem als ich ihr erzählte, dass ich das für ein Mädchen gemacht habe.«
Ich blinzele ihm zu. »Hast du das?«
»Nee, Mann«, erwidert er und sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann schaut er zum Tisch neben uns, der voll ist von Schülerinnen im ersten und zweiten Highschool-Jahr, und hebt und senkt die Augenbrauen ein paarmal. »Aber für die Richtige würde ich es machen!«
Christina schnaubt, aber einige der Mädchen kichern. Ein paar von ihnen gucken so, als wären sie gerne dieses Mädchen. Obwohl er die Hälfte der Zeit ein Arsch ist, können alle Will leiden.
Er hebt das Kinn in meine Richtung und zeigt mit einer rot gesprenkelten Pommes auf mich. »Hat dein Vater sich wegen Samstag wieder beruhigt oder macht er dich immer noch fertig?«
»Es gab noch keine Zeit, zu der er mich nicht fertiggemacht hätte. Aber das ist okay. Wir spielen dieses Spielchen immer.
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